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Echte Sozialreform!

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Die Diskussion um den Fragenkomplex „deutsches Eigentum“ hat in den letzten Wochen hohe Wellen geschlagen. Ich glaube, daß es so gut war. Auch die Oeffentlichkeit kam zu Worte und konnte das Für und Wider in die Waagschale werfen. Staatssekretär Dr. W i t- h a 1 m hat die Formel geprägt, daß das Entgegenkommen den ehemaligen deutschen Eigentümern gegenüber seine Begrenzung in den Bestimmungen des Staatsvertrages zu finden hat. Diese Formulierung liegt genau auf der Linie, welche die „Furche“ in ihren Stellungnahmen bezogen hat. Es wird jetzt nur darauf ankommen, diesen Grundsatz im konkreten bei der Stipulierung des Abkommens anzuwenden.

Wie immer aber das Abkommen festgelegt wird, steht vor uns noch die Frage der Verwertung des deutschen Eigentums.

Soweit es sich um verstaatlichte Betriebe nach dem 1. Verstaatlichungsgesetz handelt, ist die Entscheidung über ihr Schicksal bereits vorweggenommen. Das übrige deutsche Eigentum wird nach Abwicklung eventueller Rückstellungs- Verfahren „reprivatisiert“, wie ea soschön hefißt. Was versteht man aber darunter? Wenn man sich die Situation dieser Betriebe nach dem Stand von 1945 vor Augen hält, dann steht eindeutig fest, daß die Arbeiter und Angestellten dieser Betriebe einen großen Anteil an ihrem Aufbau geleistet haben. Die Belegschaften richteten mit dem, was vorhanden war oder zusammengekratzt werden konnte, die Betriebe wieder ein. Ihre Ausstattung erfolgte erst zu einem Zeitpunkt, als der Marshall-Plan auch in Oesterreich einsetzte. Er erfaßte nicht die LISIA- Betriebe. Damit haben sich die Belegschaften gerade dieser Betriebe ein moralisches Recht erworben, bei der Verwertung „ihrer“ Betriebe in entsprechender Weise bedacht zu werden.

Für die Beteiligung gibt es verschiedene Möglichkeiten und Formen, die sich jeweils nach dem einzelnen Betrieb richten müssen. Es wird aber auch darauf ankommen, ob die Belegschaften selbst bereit sind, aus dem bisherigen Dienstverhältnis herauszutreten, um sich wenigstens teilweise an der Führung und Verwaltung zu beteiligen. Es wird nicht zu umgehen sein, daß sich die Belegschaften dieser Betriebe zu diesem Zwecke in einer juristischen Person zusammenschließen, um Beteiligung und Geschäftsführung leichter handhaben zu können; zweifellos würde sich die Form der Genossenschaft am besten eignen.

Ursprünglich war geplant, eine Dachgesellschaft zu gründen, die diese Betriebe pachtet uni von sich aus in der geeigneten Form die Belegschaft beteiligt hätte. Eine Verpachtung hätte den Vorteil erbracht, daß den Arbeitern und Angestellten eine gewisse Zeit der Bewährung für eine solche Beteiligung zugefallen wäre. Schon während dieser Zeit der Pacht — wobei an eine Zeit von mindestens fünf Jahren gedacht war — hätte bereits im Betrieb die notwendige Kapitalbildung auf seiten der Belegschaft einsetzen können Dieser Plan mußte auš fiskalischen Erwägungen fallen gelassen werden, da die Tendenz des Finanzministers dahin geht, die Vermögenschaften so rasch wie möglich abzustoßen. Es muß daher nach einer neuen Möglichkeit gesucht werden. Die Belegschaften jener

Betriebe, die zur Verwertung kommen, müssen dort, wo Interesse vorhanden ist, als gleichberechtigte Bewerber für diese Betriebe auf- treten. Dem jeweiligen Käufer muß die Auflage erteilt werden, die Belegschaften in einer zwischen ihnen zu vereinbarenden Form zu beteiligen. Man könnte auch daran denken, eine entsprechende Bestimmung in ein zu schaffendes Staatsvertragsdurchführungsgesetz aufzunehmen.

Wenn die Beteiligung Sinn und Zweck erfüllen soll, so müßte sie 25 bis 49 Prozent betragen; und zwar müßten die Belegschaften als gleichberechtigte Bewerber neben dem privaten Käufer auftreten.

Da nunmehr die Möglichkeit der Eigenkapitalbildung nicht mehr gegeben ist und die Belegschaften kaum in der Lage sein werden, sofort auch nur einen Teil des Kaufpreises, der auf sie entfällt, zu erlegen, ist also die Finanzierung anders zu lösen. Ein Weg wäre, daß sich die Belegschaften auf dem Kreditwege um die notwendigen Mittel umsehen, oder daß der Käufer selbst den Belegschaften den Kredit vorstreckt, den diese an ihn allmählich zurückzuzahlen hätten. Im ersteren Fall bereitet aber noch die Frage der Haftung für den Kredit Schwierigkeit, im zweiten Fall könnte eine zu starke Abhängigkeit vom Unternehmer ein- treten. Ein dritter Weg scheint noch der günstigste zu sein, nämlich ein Bankenkonsortium zu bilden, das am Erwerb des Unternehmens selbst nicht interessiert ist, aber beim Kauf als Treuhänder für die Belegschaften auftritt, wobei diesen günstige Rückzahlungsbedingungen einzuräumen wären. Auch dieser Plan ist nicht das Ideal, doch scheint er in der derzeitigen Situation noch der gangbarste zu sein.

So oder so: Die Verwertung der Betriebe ehemals deutschen Eigentums bietet jedenfalls die Gelegenheit, eine neue Gestaltung der Betriebe und damit eine neue Aera einer echten Sozialreform einzuleiten.

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