6792372-1970_45_06.jpg
Digital In Arbeit

Rache an den Basken

Werbung
Werbung
Werbung

In der ersten Novemberhälfte werden vom Kriegsgericht in Burgos und unter Ausschluß der Öffentlichkeit 16 Miglieder der revolutionären sep arati stischen Jugendorganiisat ion ETA, darunter zwei Geistliche und zwei Frauen, in einem seit langem im In- und Ausland erwarteten Prozeß abgeurteilt werden. Sie alle werden in Zusammenhang mit dem ersten erfolgreichen politischen Attentat während des Franco-Regimes gebracht, das die Ausrufung des Ausnahmezustandes in der Baskenprovinz Guipuzcoa im August 1968, die Festnahme von Hunderten von Geistlichen, Anwälten, Ärzten, Intellektuellen und Arbeitern, Durchsuchungen von Klöstern, kurz, drei Monate unumschränkte Polizei-herrschaft zur Folge hatte.

Damals wurde Meliton Manzanas, seit 1941 Chef der Geheimpolizei von Guipuzcoa, im Treppenhaus seiner Villa in der Grenzstadt Irün erschossen, Spanien trauerte dem Polizeichef nach, die baskische Zivilbevol-kerunig empfand jedoch den politischen Mord an dem „baskischen Himmler“ als eine Hinrichtung. Selbst die sonst aller Gewaltanwendung abgeneigte Baskische Nationalistische Partei wertete den Tod des

„Häschers“ als Strafe für seine Übeltaten.

Trotz der gründlichen Polizeiarbeit fehlte monatelang jegliche Spur von den Verantwortlichen des Attentats. Bei verschiedenen Polizeiaktionen wurden schließlich ETA-Mitglieder verhaftet, die man in Zusammenhang mit dem Mord brachte. In der 5000 Seiten umfassenden Anklageschrift des Kriegsgerichts werden Todesstrafen für den 25jährigen Eduardo Uriarte Romero, den 29jährigen Francisco Javier Izko de la Iglesia, den 21jährigen Mario Onaindia Nachdondo, den 25jährigen Joaquin Oorostidi Artola, den 24jäh-rigen Francisco Larena Martinez und den 28jährigen Jose Maria Dor-ronisoro Ceberio wegen der Ermordung Manzanas' gefordert, sowie Zuchthausstrafen von 30 bis 90 Jahren wegen Banditentums, Terorris-mus, bewaffneten Raubes, Waffentransports und unerlaubten Waffenbesitzes gefordert. Izko de la Iglesia, der im Gefängnis von Puerto de Santa Maria in der Provinz Cadix inhaftiert ist, in dem in diesen Tagen die dort befindlichen fünf politischen Gefangenen aus Probest gegen ihre Behandlung in einen zehn- bis zwölftätigen Hungerstreik getreten sind, wurde bereits 1969 in einem Kriegsgerichtsverfafhren zu 40 Jahren Zuchthaus verurteilt. Larena sitzt derzeit drei Jahre wegen unerlaubter Assoziation ab und Doxronsoro 20 Jahre, zu denen er wegen Terrorismus von einem Kriegsgericht verurteilt wurde, sowie sieben Jahre, die ihm das Madri-der Gericht für öffentliche Ordnung wegen unerlaubter Assoziation und Waffenbesitzes zudiktierte.

Für die restlichen zehn Angeklagten wurden Strafanträge von 12 bis 80 Jahren gestellt. Ihnen wird Banditentum, Terrorismus und militärische Rebellion ziur Last gelegt. Einer der Angeklagten, der 35jäh-rige Geistliche Julen Calzada Ugalde, wurde bereits 1969 wegen seiner Teilnahme an einem Hungerstreik im Bischofspalast von Bilbao — das Kriegsgericht qualifizierte dies als „militärische Rebellion“ — zu zehn

Jahren Gefängnis verurteilt. Nur für die 24jährige Gattin eines der Angeklagten, die zehn Jahre Haft verbüßt und derzeit krank in der psychiatrischen Abteilung des Ge-fängnisspiitals von Madrid liegt, wird Freispruch beantragt. Die Anwälte der Angeklagten behaupten, daß weder Zeugen noch Beweismaterial vorhanden seien. Bei Bekanntwerden der Straf antrage machte sich Empörung in Oppo-sitionskreisen breit. Die illegale sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE), die stich ansonsten von der ETA streng distanziert, hat in einem Flugblatt die Arbeiter zur Mobilisierung aufgerufen, um die Fällung der Todesurteile zu vermeiden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung