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ßaskenbisdiof gegen Priesterprozesse

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Zum zweitenmal innerhalb weniger Tage mußte sich der Bischof von Santander, der gleichzeitig apostolischer Verwalter der Baskenprovinz Vizcaya ist, an seine Gläubigen und Geistlichen wenden, um auf das Recht der katholischen Kirche gegenüber dem spanischen Staat zu pochen, auf deren „schwerste Probleme“ hinzuweisen und — in seinem soeben veröffentlichten Hirtenbrief der „Gewaltanwendung der Einzelpersonen, der Gruppen und der Autorität“ ein energisches „Nein“ entgegenzurufen.

Anlaß zu dieser bisher heftigsten Auseinandersetzung eines spanischen Bischofs mit Polizei und Justiz gaben die jüngsten Vorkommnisse im Baskenland. Sie begannen mit einer Säuberungsaktion gegen die sepe-ratistische, revolutionäre Jugend-Organisation ETA — nach Beendigung des Ausnahmezustands am 25. März wurde offiziell ihre „Des-artikulierung“ gefeiert — die mit zahlreichen Terroranschlägen kräftiger denn je in Erscheinung getreten war. Vier ETA-Mitglieder wurden als erste in San Sebastian festgenommen. Ihre Spur führte nach Santander, wo der Polizei nach einem heftigen Schußwechsel weitere Festnahmen und die Aushebung eines kleinen Waffenarsenals gelangen. Ein führendes ETA-Mitglied jedoch, Miguel Echevarria, konnte verletzt per Taxi entkommen. Den Taxichauffeur fand man später, von mehreren Kugeln tödlich getroffen, auf der Landstraße. Echevarria, der für den Tod des Taxifahrers verantwortlich gemacht wird, ist untergetaucht. Mehr als hundert Personen, die ihm entweder Erste Hilfe leisteten oder bei seiner Flucht geholfen haben sollen, wurden inzwischen verhaftet und sollen vor das Kriegsgericht gestellt werden, das, wie die zuständigen Militärs versicherten, mit äußerster Strenge verfahren wird.

Die „Schuld“ der Geistlichen

Unter diesen Verhafteten nun befinden sich acht Pfarr- und Ordensgeistliche sowie Seminaristen, deren „Schuld“ in den meisten Fällen darin zu bestehen scheint, daß sie den Flüchtigen nicht bei der Polizei anzeigten, sondern, dem christlichen Gebot der Nächstenliebe folgend, einfach oder indirekt halfen.

Einige dieser Geistlichen riefen offenbar ihren Generalvikar, den' Peter Ubieta, an, um bei ihm Rat über die Notwendigkeit der Wahrung der priesterlichen Schweigepflicht zu suchen. Allein dieser Umstand genügte der Polizei zu einem Haftbefehl gegen Bilbaos Generalvikar, der allerdings wegen seiner modernen pastoral-theologischen Linie so manchem ein Dorn im Auge ist. Was sich nun in Bilbao abspielte, erinnert an Vorgänge, die die spanische Republik als antiklerikal in Verruf gebracht haben: Ein starkes Polizeiaufgebot umzingelte den Bil-bainer Bischofspalast, ein Kommissar holte Ubieta heraus und — der Bischof erschien, riß dem Polizisten den Haftbefehl aus der Hand und geleitete seinen Generalvikar hinter die schützenden Palastmauern. Wenige Stunden später befand sich der Generalvikar trotzdem in Polizeigewahrsam ... unter dem in fast der ganzen spanischen Presse unverblümt geäußerten Verdacht, Helfershelfer der ETA zu sein.

Gerade das dem Regime plötzlich lästig gewordene Konkordat nahm Msgr. Cirarda, Bischof von Santander und apostolischer Verwalter Bilbaos, in Anspruch: Er wies Militärrichter und Polizei darauf hin, daß ein Geistlicher nur mit Zustimmung seines Bischofs unter Anklage gestellt werden kann — und er verweigerte sie. Der Generalvikar mußte also wohl oder übel nach der gesetzlich zulässigen Höchstzeit von 72 Stunden freigelassen werden. Dieser hatte seinerseits ebenfalls ein altes kirchliche- Privileg benutzt: die Schweigepflicht. Die Polizei war also während seiner Verhöre keinen Schritt weitergeommen. Msgr. Cirarda, „schmerzlichst von diesen Ereignissen“ getroffen und gerecht über die Verdächtigungen der Autorität und die „sensationalistische“ und „tendenziöse“ Berichterstattung der Zeitungen erzürnt, erklärte in der Bilbainer Kathedrale, daß er keine einzige Genehmigung zur Prozessierung der inhaftierten Geistlichen gebe, solange sie schuldlos sind, daß er den Vatikan über alles informiere und selbstverständlich auf Seiten seines Generalvikars stehe. Er ging noch weiter: Nämlich zum zuständigen Generalkapitän, zum Justizminister und zum Regierungsvizepräsidenten Carrero Blanco. Seine Haltung ist im Nachbürgerkriegsspanien einmalig: Noch nie hatte es ein spanischer Bischof gewagt, die Interessen und Rechte der Kirche offen gegen den Staat ins Feld zu führen. Er wird hierbei nicht nur vom Bischof von San Sebastian, sondern selbstverständlich vom Heiligen Stuhl sekundiert.

Aber auch das Regime bezieht seine Stellung: Der Verein der national!- < stischen Bürgerkriegsveteranen San-tanders sprach dem Bischof eine scharfe Rüge aus und General Ariza, Direktor der Regimentsstabsschule, erklärte in einem unter Vorsitz des Regierungsvizepräsidenten Blanco abgehaltenen feierlichen Akt, daß die Streitkräfte, vereint mit den Kräften der öffentlichen Ordnung, gegen die Subversion reagieren müßten.

Soll das heißen, daß im Baskenland die ETA und das Heer sich in einem Guerillakrieg gegenüberstehen werden, in den die Kirche nolens volens verwickelt werden kann? Denn unter dem baskischei Klerus gibt es mehr denn einen Cainilo Torres.

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