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Spanische Priesterrevolte
Etwas verspätet, aber heftiger als anderswo, machen sich in Spanien die Reaktionen auf demokratisierende Empfehlungen des Zweiten vatikanischen Konzils bemerkbar. Der Klerus, der jahrzehntelang als festgefügter Pfeiler des Regimes, galt, hat sich in Spanien in zwei Lager gespalten. Hie hohe Geistlichkeit, mehrheitlich Franco verbunden, hie niedere Geistlichkeit, dem Regime gegenüber kritisch eingestellt und dem Volk nahe. Während sich diese beiden Lager bisher auf kleine Scharmützel beschränkten, ist in den letzten Wochen ein Stellungskrieg ausgebrochen, der in Barcelona begann und sich nunmehr auf ganz Spanien auszudehnen droht.
Msgr. Gurpide gab der Polizei freie Hand
In Barcelona unterzeichneten 300 Geistliche ein Schreiben, in dem sie einen direkt vom Volk gewählten Bischof forderten. Schießt diese Aktion bereits über die vom Zweiten vatikanischen Konzil herausgearbeitete Linie der Laienaktivierung innerhalb der Kirche und die Zuge- stehung eines gewissen Mitbestimmungsrechts hinaus, so bilden die Vorgänge in Bilbao „eine schwere Lage, die ohne Präzedenz in der Kirchengeschichte ist“, wie sich ein maßgeblich an den Entscheidungen des Konzils beteiligter spanischer Geistlicher ausdrückte.
In Bilbao schlossen sich am 4. November nämlich 60 Geistliche freiwillig im elf Kilometer vor der Provinzhauptstadt gelegenen Priesterseminar Derio ein, um gegen die „Kollaboration der Kirche mit der Unterdrückung“ — so schreiben sie in einem Informationsblatt — zu protestieren und gegen deren „Unterstützung der Kastellanisie- rung des baskischen Volks“, deren „Allianz mit der Politik der Mächtigen in der Art der Bischofswahl“, deren Treueschwur zum spanischen Regime und der Annahme von Vorrechten. Die 60 Geistlichen fordern eine arme, freie, dynamische und bodenständige Kirche, also eine völlige Reform, die Konstituierung einer baskischen Bischofskonferenz und einen apostolischen Verwalter zwecks Organisierung der Direktwahl des nächsten Bischofs. Diese revolutionären Petitionen wurden an den Nuntius in Madrid und an den Papst weitergeleitet.
Mgr. Gurpide, der 70jährige Bischof Bilbaos, der zwar einen baskischen Namen trägt aber ansonsten für baskischen Separatismus und Nationalismus wenig freundliche Gefühle zeigt, stellte den Sit-inners kurzerhand ein Ultimatum, in dem er sie unter Androhung der Suspen-
dierung „a divinis“ — also der Entziehung der sakramentalen Vollmacht — zum Verlassen des besetz ten Seminars aufforderte. Nicht nur verfehlte das Ultimatum seine Wirkung auf die Eingeschlossenen, sondern die Seminaristen traten in einen eintägigen Proteststreik gegen die vom Bischof gutgeheißene massive Gegenwart der Polizei, die das Seminar umzingelte und — hätte der Seminarsrektor nicht interveniert — die Geistlichen auf Geheiß des Bischofs evakuieren sollte.
Kurz darauf solidarisierten sich zweihundert baskische Geistliche Bilbaos — viele darunter mehr als 60 Jahre alt — mit den Protestierenden, und ein von 553 Pfarr- und Ordensgeistlichen, also fast dem gesamten Klerus der Diözese — unterzeichneter Brief ging an den Nuntius. Darin wird wegen der „chaotischen und verzweifelten Lage“ der Diözese die direkte Intervention des Heiligen Stuhls zur sofortigen Lösung der schweren und vielgestaltigen Probleme erbeten. Eine Delegation der Eingeschlossenen erreichte bisher eine lange Unterredung mit dem päpstlichen Nuntius in Madrid und — so scheint es zumindest — die Aussetzung der vom Mgr. Gurpide beschlossenen Suspendierung, die beim Vatikan keinen Beifall gefunden haben soll. Denn eine derartige Maßnahme würde die Beantwortung eines Skandals durch einen noch größeren bedeuten.
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