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Explosive Seelenmesse

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Mitten in den grünen Hügeln der Provinz Guipúzcoa, unweit von San Sebastian, liegt die Ortschaft Laz- cano, die außer über eine blühende Industrie und Landwirtschaft über ein Benediiktinerkloster gleichen Namens verfügt. Diese unscheinbare Abtei, die man außerhalb des Baskenlandes kaum kennt, ist über Nacht zum Schauplatz eines Geschehens geworden, das mit einem separatistischen Schildbürgerstreich begann, zur Intervention der Polizei, Verletzung der Klausur, Verhaftungen und den päpstlichen Nuntius in Madrid, Msgr. Dadiaglio, dazu führte, persönlich im Baskenland nach den Rechten zu sehen, die der spanische Staat der katholischen Kirche•ih,di’m 1953 zwischen Madrid und. dem Vatikan Unterzeichneten Konkordat garantiert.

In einer Samstagnacht wurde von behenden und schwindelfreien baski- schen Separatisten auf der Kirchturmspitze der Abtei die verbotene, weiß-blaue baskische Fahne aufgepflanzt, wohl als Symbol für eine Seelenmesse, die von Dorfbewohnern für den Sonntag bei den Benediktinern bestellt worden war. Separatistenfahne und Seelenmesse riefen die Polizei auf den Plan, denn letztere wurde, sehr zum Ärger der Regierungsbehörden, bereits an anderen Orten für den des Mordes an einem Polizisten bezichtigten und später von der Polizei erschossenen Militanten der separatistischen Jugendorganisation ETA, Javier Echevarrieta, gelesen. Während der Seelenmesse fuhren zwei Polizei- wageti-jivw. dem Klagten-cauf, Ein Polizist — so wissen die Benediktiner zu berichten — ersuchte den Pförtner mit vorgehaltener Pistole um Einlaß. Die Ordnungshüter drangen in das Kloster ein, um schließlich von einem Chorgang herab die Andächtigen mit einem in Spanien beliebten Schimpfwort zum Ausbringen eines Hochs auf Spanien aufzufordem.

Nach Messeschluß kam es zu einem Durcheinander und der Festnahme von acht Personen, die anschließend auf bisher ungebräuchliche Art verhört wurden.

Konkordat im Widerspruch zu Gouverneursmaßnahmen?

In einem Regime, das den Katholizismus als Staatsreligion und die Kirche als einen seiner Pfeiler betrachtet, uhd dieser, wie efeigahgs erwähnt, im Konkordat gewisse unverletzliche Rechte einräumt, müssen sich Zweifel über die Gültigkeit und Beachtung der beiderseitig festgesetz-

ten Spielregeln aufdrängen. In Artikel XXII des Konkordats wird unter anderem die Unverletzlichkeit der nach dem Kirchenrecht errichteten Orden garantiert, es sei denn, es bestehe „dringlichste Notwendigkeit". Ob dieser Fall sich in Laz- cano ergeben hat, ist noch ungeklärt. Der Abt des Klosters bezeichnete da Eindringen der Polizei vorläufig als möglichen „Hausfriedensbruch“. Das letzte Wort dürfte der Nuntius und damit der Vatikan haben.

Weiterhin heißt es in Artikel II des Konkordats: „Der spanische

Staat gesteht der katholischen Kirche den Charakter einer perfekten Gesellschaft zu und garantiert ihr die freie und öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes.“ Nun sah sich aber der Zivilgouverneur durch das Überhandnehmen der Seelenmessen für den erschossenen ETA-Militanten veranlaßt, anzuordnen, daß diese Messen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu lesen sind. Geistliche, wie der Pfarrer der Bilbainer Kirche von San Anton, in dessen Seelenmesse es zu einer separatistischen Manifestation kam, wurden mit empfindlichen Geldstrafen belegt. In der Ortschaft Larrabezua wurde der Koadjutor bestraft, weil er sich dreimal geweigert hatte, die Messe ohne Publikum zu lesen. In Mondragon kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und verhinderten Seelen- messenbesuchem. In den letzten Wochen wurden drei Franziskaner derart eindringlich verhört, daß ärztliche Atteste von „Kontusionen und Schnitten“ sprechen. AFP-Kor- respondent Ydollaga, der über die Vorfälle im Baskenland zu berichten pflegte, befindet sich seit einem Monat ohne Anklageerhebung in Haft Kurz, die Liste der Vorfälle im Baskenland, die die explosive Lage illustrieren, könnte beliebig weitergeführt werden.

Selbstverständlich wird sich diese Lage früher oder später entweder von selbst oder aber durch Regierungsmaßnahmen, wie etwa die Verhängung des Ausnahmezustands, normalisieren. Die Tatsache allerdings, daß die mit dem Volk verwurzelte baskische Geistlichkeit mehr denn je im Spannungsfeld zwischen den Vertretern des Regimes und i askiscken Nationalisten und Separatisten auf tritt,. .dürfte „keine ?, geringen Einfluß auf die seit dem II. Vatikanischen Konzil fällige Neufassung des Konkordats ausüben.

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