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Vorsorgemaßnahmen können das Risiko des plötzlichen Säuglingstodes reduzieren. Doch ausschließen kann ihn niemand.

Es ist Samstag, der 20. Oktober 2002 - ein Tag, den sie nie vergessen wird. Schon in der Früh bringt Andrea Zügner-Lenz ihren acht Monate alten Sohn Tobias zu ihrer Mutter, um einem Verwandten bei der Apfelernte zur Hand zu gehen. Der stramme Bub - das jüngste von vier Kindern - fühlt sich bei Oma pudelwohl. So wohl, dass seine Mutter beschließt, ihn erst am nächsten Tag abzuholen. Frühmorgens ist es ungewöhnlich still im Zimmer. Die Großmutter schlägt die Decke zurück - und findet darunter das leblose Kind.

Die Obduktion bringt nicht Klarheit, sondern hinterlässt Ratlosigkeit: "Sudden Infant Death Syndrome" lautet das Ergebnis - plötzlicher Säuglingstod. "Ich habe meinen Sohn im Krankenhaus gar nicht mehr sehen können", erzählt seine mittlerweile 37-jährige Mutter. "Ich hätte darauf bestehen sollen - aber irgendwie habe ich mich ausgeklinkt."

Heute ist Andrea Zügner-Lenz Obfrau des Selbsthilfevereins SIDS Austria mit Sitz in Graz und bietet anderen betroffenen Eltern eine erste Anlaufstelle nach ihrem traumatischen Erlebnis. Bedarf ist vorhanden: So wurden im Jahr 2006 österreichweit 26 Fälle von plötzlichem Säuglingstod gemeldet. Wenn auch die Zahlen gegenüber 1988 drastisch gesenkt werden konnten - damals wurden 146 Fälle registriert -, so gilt SIDS nach wie vor als häufigste Todesursache im Säuglingsalter. Vor allem Kinder zwischen dem zweiten und fünften Lebensmonat sind betroffen, doch treten einzelne Fälle bis zum Ende des ersten Lebensjahres auf.

In der Steiermark blieb man im Vorjahr erstmals gänzlich verschont. "Das ist auch eine Folge unserer Aufklärungsarbeit", glaubt Reinhold Kerbl, Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendliche am Landeskrankenhaus Leoben sowie Leiter der steirischen Arbeitsgruppe für SIDS-Prävention. "Wir wissen mittlerweile, dass die Bauchlage beim Schlafen, Überwärmung und Nikotinbelastung die größten Risikofaktoren darstellen", so Kerbl. "Ebenso haben bereits neun Studien ergeben, dass Schnuller beim Einschlafen das SIDS-Risiko reduzieren."

Steiermarkweit erhalten alle frisch gebackenen Eltern nach der Entlassung aus dem Spital einen Risikofragebogen. Im Fall von extremen Frühgeburten oder Kindern mit Atemausfällen werden sie mit einem Heimmonitor ausgestattet, der bei längeren Atempausen des Kindes Alarm schlägt. Wie man im Akutfall reagieren muss, erfahren die Eltern in einem "Säuglingswiederbelebungskurs" des Roten Kreuzes. "Vor etwa zehn Jahren haben wir noch rund sieben Prozent der Kinder auf diese Art monitorisiert", erklärt der Kinderarzt. "Aber nachdem diese Geräte auch viele Fehlalarme auslösen und damit bei den Eltern große Unruhe bewirken, sind wir zurückhaltender geworden."

Andrea Zügner-Lenz kann diese Zurückhaltung nur begrüßen. Auch ihr wurde nach der Geburt ihres fünften und sechsten Kindes jeweils ein Atemmonitor nach Hause mitgegeben. "Wir haben ihn aber nur kurz verwendet", berichtet sie. Statt ständig auf einen Alarm zu warten, habe sie im Glauben Zuversicht gefunden. "Jeder Mensch hat eben ein bisschen Zeit auf dieser Erde: Der eine acht Monate, der andere 80 Jahre."

Doris Helmberger

Nähere Infos unter www.sids.at

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