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Im Bann von Sucht und Macht

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Warum Scientology und Zeugen Jehovas in Osterreich nicht anerkannt werden sollen.

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Warum Scientology und Zeugen Jehovas in Osterreich nicht anerkannt werden sollen.

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Scientology beansprucht für sich, eine Religion zu sein. Allerdings stand am Anfang kein religiöses Interesse, sondern „Dianetik" (am ehesten mit einer Therapie vergleichbar), entwickelt vom Science-fiction-Autor L. R. Hubbard.

■ Anläßlich der Gründung der Scientology-„Kirche" hat Hubbard darin unter anderem eine gute Basis zum Geldtransfer gesehen. Gott spielt in dieser „Kirche" keine Bolle. Es gibt kein Dogma über Gott. Ausdrücklich distanziert sich Scientology vom Christentum. Problematisch ist vor allem die Ethik von Scientology, die darin besteht, zunächst Gegen- und anschließend Fremdabsichten zu entfernen. Damit hat Pluralismus und Toleranz letztlich keinen Platz. Kritiker gelten als Feinde und werden in die Nähe der Kriminalität gerückt. Ein organisationsinterner Geheimdienst soll diese „Störfaktoren" ausschalten - ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die Ehemalige haben.

■ Kritik an diesem System ist nicht vorgesehen. Wenn diese laut wird, scheuen Scientologen nicht davor zurück, die an ihnen verbal geübte Kritik mit der Judenverfolgung in der NS-Zeit zu vergleichen.

■ Das Streben nach Macht ist der innerste Kern dieser „Beligion". Die deutsche Familienministerin Nolte schreibt in der neuen Broschüre ihres Ministeriums „Die Scientology -Organisation": „Für mich steht fest: Scientology vereinigt unter dem Deckmantel einer Religionsgemein-schaft Elemente der Wirtschaftskriminalität und des Psychoterrors ... Ich halte Scientology für eine der aggressivsten Gruppierungen in unserer Gesellschaft mit einem bedenklichen Demokratieverständnis und einem menschenverachtenden Gesellschaftsbild." Schon früher hat eine staatliche australische Stelle Scientology als „eine ernste Bedrohung der Gesellschaft - medizinisch, moralisch und sozial" bezeichnet.

■ Bei Scientology findet sich auch der Hinweis, daß in Zukunft nur „Nichtaberrierten" (das heißt Scientologen) das Bürgerrecht verliehen werden sollte ...

Die Zeugen Jehovas erfüllen zwar zwei Kriterien hinsichtlich der Anerkennung: Sie sind eine stabile Größe (die Organisation besteht seit mehr als 110 Jahren, in Osterreich seit mehr als 70 Jahren) und sie haben eine entsprechend hohe Verbreitung (international zirka fünf Millionen, in Österreich mehr als 20.000 Verkünder). Trotzdem bleiben manche Bedenken gegen eine Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts:

■ Jehovas Zeugen betonen, dem Staat gegenüber „neutral" zu sein. Konkret bedeutet das für sie, an keiner politischen Aktivität ( zum Beispiel weder aktiv noch passiv an Wahlen) teilzunehmen und damit auch für sich jedes politische Amt und damit jede politische Verantwortung abzulehnen. Der Staat zählt für sie zum Beich Satans.

■ Aus dieser Haltung wird die Verweigerung von Wehrdienst verständlich - nicht, weil sich Jehovas Zeugen als Pazifisten verstehen (es wird betont, daß „Jehovas Zeugen keine Pazifisten sind"), sondern weil sie darin die Unterstützung eines in ihren Augen satanischen Systems sehen. Aus diesem Grund lehnen sie auch die Leistung des Zivildienstes ab.

■ Die im Grund negative Einstellung gegenüber dem Staat zeigt sich auch in der Schule. Jehovas Zeugen lehnen nicht nur religiöse (zum Beispiel Weihnachtsfeier) und private Feste (zum Beispiel: Geburtstag, Muttertag) ab, sondern auch nationale Feiern und singen zum Beispiel auch nicht bei der Bundeshymne mit.

■ Jehovas Zeugen betonen, nach der Bibel zu leben. Ihre eigenwillige Bibelauslegung gestattet es ihnen nicht, aus einem falschen Bibelverständnis heraus eine möglicherweise lebensrettende Bluttransfusion -auch an ihren Kindern! - durchführen zu lassen. Lieber nehmen sie den Tod auf sich.

■ Der Predigtdienst ist die Hauptaufgabe für Jehovas Zeugen. Sozialkaritatives Engagement hingegen wird man bei ihnen umsonst suchen. Dieser gesellschaftlichen Verantwortung entziehen sie sich und überlassen das staatlichen Einrichtungen unter Berufung darauf, daß sie ohnedies Steuern zahlen.

Die Autorin ist

Leiterin des Referats für Weltanschauungsfragen der Erzdiözese Wien.

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