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Scientology: Die vielen Gesichter der „Weltanschauungs-Firma“

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Die zumindest postalisch im „Scientology“-Umfeld beheimatete „Initiative Neue Linke“ findet sich auch in einem

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Die zumindest postalisch im „Scientology“-Umfeld beheimatete „Initiative Neue Linke“ findet sich auch in einem

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Der Journalist Wolfgang Purt- scheller, intimer Kenner der rechtsextremen Szene, widmet in seinem Buch „Aufbruch der Völkischen. Das braune Netzwerk“ (FURCHE 31/1993) der „Initiative Neue Linke“ (INL) ein Unterkapitel, um zuletzt zu dem Schluß zu gelangen: „Wie gesagt: die INL ist keine rechtsradikale Gruppierung. Und die Erde ist eine Scheibe.“

Der Zusammenhang mit Scientology wird auf einem Flugblatt der „Plattform für Religionsfreiheit“ (dazu Seite 1) dokumentiert, als deren Mitglieder neben Hare Krishna und Sahaja Yoga eben die INL und die „Scientology Kirche. Österreich“ aufscheinen.

Im Frühjahr 1993 warb die INL für einen Vortrag über „Jude, Hexe, Sekte - projektive Feindbilder in Geschichte und Gegenwart“. Vortragender war ein gewisser „Dipl, psych. Dr. Fritz Erik Hoevels (Psychoanalytiker, Freiburg im Breisgau)“, der sich - kaum überraschend - über die „erschreckenden Parallelen in der Verfolgung und Entrechtung religiöser Minderheiten anno 1933 und 1993“ ereiferte. Die Publikationen des deutschen Gastes - etwa über Bhagwan +- sind übrigens im Freiburger „Ahriman-Verlag“ erschienen. Dieser Verlag findet sich wiederum in Purtschellers „Braunen Netzwerk“ - unter anderem mit der Feststellung, daß das Verlagshaus der INL nahe steht und „sich nicht nur als links ausgibt, sondern auch jeden vor den Kadi zu zerren pflegt, der Gegenteiliges analysieren zu müssen vermeint“.

Den Gang zum Gericht als bestes Mittel, um Kritiker mundtot zu machen, bevorzugen auch die österreichischen Scientologen: So darf zur Zeit das in der „Edition S“ erschienene Buch „Einsteins falsche Erben“ aufgrund einer einstweiligen Verfügung nicht ausgeliefert werden (die Hubbard-Jünger werben bevorzugt mit Albert-Einstein-Zitaten — zuletzt, am 14. Jänner 1994, per Inserat in der „Kronen Zeitung ). Vertreten wird die „Edition S“ vom Doyen der heimischen Anwälte, Walter Schuppich. Dieser hat in derlei Rechtsstreitigkeiten einschlägige Erfahrung: 1988 vertrat er die damalige Unterrichtsministerin Hilde Hawli- cek gegen drei „Vorstandsmitglieder des österreichischen Vereins Scientology Kirche“. Wie die Erfahrung zeigt, geht es den Scientologen zumeist gar nicht darum, in einem Prozeß die Vowürfe gegen sie zu widerlegen: Vielmehr geht es um die Verhinderung der termingerechten Auslieferung der Bücher, um die Einschüchterung der Autoren sowie um eine außergerichtlijche — inhaltlich irrelevante - Distanzierung des Verlages. Dadurch können die Scientologen auch weiterhin behaupten, keinen Prozeß verloren zu haben.

Politische Dimensionen hat das Wirken der „Weltanschauungsfirma Scientology“ („Die Zeit“) mittlerweile nicht nur in Deutschland, wo sich alle Bundestags-Parteien und auch der Verfassungschutz kritisch mit den Hubbard-Erben befassen (laut einem im „Stern“ zitierten Bericht des deutschen Verfassungsschutzes ist Scientology „trotz des Namens keine Kirche … Das Ideal eines Maschinen-Menschen hat nichts mit Religion zu tun. Ein Scientologe braucht Geld, viel Geld, um die von Kurs zu Kurs steigenden Gebühren bezahlen zu können. Er ist finanziell in einer ähnlichen Situation wie ein Rauschgiftsüchtiger“).

In Österreich hat der ÖVP-Mandatar Josef Höchtl das Problem mittels parlamentarischer Anfrage thematisiert — gemeinsam mit SPÖ, FPÖ und Grünen. Eine Fünf-Parteien-Anfrage war zum Zeitpunkt der Anfragen (Mai, September 1993) nicht möglich: damals gehörte noch der deklarierte Scientologe Pepi Wagner der niederöster- reichischen Landtagsfraktion des Liberalen Forums an - jener Wagner, der nach seinem Ausscheiden aus der Heide-Schmidt-Partei prompt das Rechtsextremen-Blättchen „Fakten“ als Forum für seine politische Abrechnung auserkor.

Höchtl weiß, daß die österreichischen Behörden — im internationalen Vergleich — bei der Ausforschung von Sekten beziehungsweise pesudo- religiösen Vereinigungen bisher nicht gerade rigoros vorgegangen sind. „Ich versuche mit meinen Anfragen Innenminister Löschnak dazu zu drängen, wie in anderen Ländern gegen die Auswüchse von Sekten vorzugehen: gegen vermögensrecht- liche Delikte ebenso wie gegen Einschüchterungen und Drohungen. Das hat nichts mit einer Einschränkung der Religionsfreiheit zu tun: all jene Gruppierungen, die sich nichts zuschulde kommen haben lassen, haben nichts zu befürchten.“

Lange Zeit sei nichts geschehen, bedauert Höchtl, der dafür eine mögliche Erklärung hat: „Viele Anfragen an die Behörden wurden einfach abgeblockt. Ich weiß nicht, ob da nicht einige Beamte bewußt an dieser Mauer des Schweigens mitgewirkt haben.“

Was sind nun die Vorwürfe gegen Scientology? Dazu wiederum „Die Zeit“: „Scientology ist ein Wahnsystem, daß sich der Gründer, der amerikanische Science-fiction Autor Ron L. Hubbard, aus einem Sechstel Psychoanalyse, einem Sechstel Okkultismus, einem Sechstel bei Hitler und Stalin abgekupferter totalitärer Praxis und einer Hälfte Krieg-der- Sterne-Spinnerei zusammengebastelt hat, eine abstruse Ideenmixtur, für die selbst das Wort Ideologie zu schade scheint, obwohl sie wie echte Ideologie letztlich auf etwas Reales aus ist, nämlich die Macht - nicht weniger als die Weltherrschaft.“ Und die „FAZ“ meldete unlängst, daß Scientologen zunehmend versuchen, als „Unternehmensberater“ Einfluß auf Firmen zu bekommen.

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