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Der Pilger Koloman interpretiert als Zeitzeuge

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Nach dem Erfolg der TV-Serie über die Habsburger hat sich das Team um Brigitte Vacha und Alois Hawlik rechtzeitig zum Mil-leniums-Jahr mit dem zweiten großen österreichischen Herrscherhaus auseinandergesetzt. Der TV-Dreiteiler „Schleier, Kreuz und Schwert" ist Teil eines Medienpaketes, das zum Millennium in die Welt der Babenberger einführt. Der Dreiteiler erscheint auch als Video-Edition und ein umfassender Bild-Textband, erschienen im Grazer Styria-Verlag, sowie eine CD des Ensembles Les Menestrels mit Minne-und Tanzliedern und geistlicher Musik aus der Zeit der Babenberger runden das Paket ab.

1996 ist auch das Jahr, in dem man der 750 Jahre gedenkt, die seit dem Ende der Babenberger-Herrschaft vergangen sind. Unter den Babenbergern wurde das Beich im Osten zu einem Land der Mitte, mit ihnen trat Österreich aktiv in die europäische Geschichte ein. Von 976 bis 1246 regierte dieses Geschlecht. Das Herzogtum der Babenberger hat mit der Bepublik Österreich in ihren Dimensionen mehr gemeinsam als diese mit dem Imperium der Habsburger.

Die Babenberger haben vorgeführt, was mit einer „Politik mit Augenmaß" zu erreichen ist. Sie waren in die weltpolitischen Ereignissse ihrer Zeit verstrickt, in den Machtkampf zwischen Kaiser und Papst, in den Religionsstreit zwischen Rom und Byzanz; und sie nahmen auch an Kreuzzügen teil.

Aber selten standen sie an vorderster Front, und oft traten sie im rechten Moment von größeren Aufgaben zurück, um im kleineren Umfeld zu gewinnen und ihre «Hausmacht zu konsolidieren. Sicherheit statt Risiko, auch so kann ihre „Flucht aus der Größe" gedeutet werden. Unumstritten haben die Babenberger den Grundstein zu dem gelegt, was Österreich später wurde. Diese Tatsache war mit ein Grund, die Geschichte der Babenberger anläßlich der diesjährigen Feierlichkeiten in Wort und Bild umzusetzen. Der schneeweiße Schleier der Heiligen Agnes und der blutrote Waffenrock Leopold V. haben sich als Symbole im Gedächtnis der Nachwelt festgesetzt. Aber dies sind nur Legenden, die selbst erst Teil der Geschichte wurden. Eine Hauptschwierigkeit bei der fernsehgerechten Umsetzung dieser Geschichte ergab sich aus dem Mangel an authentischen Bildern. Fast alle Darstellungen stammen aus späteren Epochen - sind also unter veränder tem Blickwin kel entstanden. Die Gestalter der TV-Serie haben daraus ein Stilprinzip gemacht, sie betonen das Fragmentarische und beziehen die Spurensuche selbst in die filmische Erzählung ein.

Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, daß die Babenberger weder als Dynastie noch als Einzelpersonen wirklich faßbar sind. Sie bleiben Menschen ohne Eigenschaften, obwohl sie für die Entwicklung Österreichs maßgeblich waren. So machten die Gestalter aus der Not eine Tugend und ließen in jeder Folge jeweils einen Zeitzeugen in Originalzitaten zu den Zuschauern sprechen, der aber auch aus seiner Bolle heraustritt, um abwechselnd Interpret und Kommunikator zu sein. Burgschauspieler Franz Morak ist als „Zeitzeuge" einmal der Pilger Koloman, dann Bischof Otto von Freising und dann der Minnesänger Walther von der Vogelweide. Durch alle drei Folgen begleiten den Zuschauer „Les Menestrels", mittelalterliche Spielleute, deren geistliche und weltliche Gesänge das damalige Zeitgefühl wiedergeben. Jeder Folge ist ein bestimmter Schauplatz zugeordnet: Im ersten Teil soll das Dotf den Pioniergeist der ersten Siedler illustrieren, Teil zwei ist dem geistigen Zentrum der Zeit, dem Kloster, gewidmet, Teil drei schildert die Entwicklung von der Burg zur Stadt.

Die Aufnahmen erstreckten sich über zwei Jahre, gedreht wurde unter anderem in Deutschland, Italien, Frankreich, Ungarn sowie in der Türkei und Israel, vorrangig aber natürlich in den Stammländern der Babenberger-Herrschaft: in Niederösterreich und in der Steiermark. Im Mittelpunkt stehen die zahlreichen Klostergründungen der Babenberger, die ihre kulturelle Bestimmung über Jahrhunderte hinweg bis in die Gegenwart behielten: Melk, Zwettl, Heiligenkreuz, Lilienfeld und vor allem Stift Klosterneuburg - Kloster und Be-sidenz der Babenberger wie auch der Habsburger.

Für die Dokumentation öffnete das Stift seine Schatzkammern, zeigt die Schleiermonstranz und den österreichischen Erzherzogshut, sowie seltene Handschriften und Urkunden, darunter jene aus dem Jahre 1147, die erstmals den Namen Austria erwähnt. Dem Team Vacha/Hawlik ist eine informative und historisch fundierte Dokumentation gelungen, die der Begleitband noch zu vertiefen vermag. (JeweilsORF 1,10 Uhr am 21. Jänner, 28. Jänner, 4. Februar)

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