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Alle fahren nach Moskau

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„Die Gefahr eines Atomkrieges in Europa ist geringer als die der sozialen Revolution in Südamerika“, sagte mir ein Anwalt, der vor 25 Jahren aus dem Rheinland nach Peru emigriert ist und gut Fuß gefaßt hat. „Ich gehe nach Westeuropa zurück.“

Um die Größe der Gefahr zu ermessen, muß man nach Cuzco fahren. Es liegt, zwei Flug-, aber 24 Autobusstunden von Lima entfernt, 3400 Meter hoch in den Anden und hat 100.000 Einwohner. Viele wissen, daß Cuzco vor 400 Jahren die „Hauptstadt der Inkas“ war, deren Ruinen einen Anziehungspunkt erster Ordnung für den internationalen Touristenverkehr aus Cuzco gemacht haben. Aber wenige wissen, „ daß. Hauptstadt des Indio-Kommunismus ist.

Lehrbiith „Mein Kartipf

Das erste, was ich freilich in Cuzco fand, war Hitlers „Mein Kampf“ in spanischer Übersetzung. „Man liest es gern“, sagte der Buchhändler, der es in die erste Reihe seines Schaufensters gestellt hatte.

Die Gutsbesitzer der Gegend halten die Eingeborenen noch wie Leibeigene. Zum Teil bekommen sie nur Löcher als Wohnung, Reis und Bohnen als Nahrung, zum Teil auch eine D-Mark am Tage.

Die Kommunisten nutzen diese Situation aus. Die Landarbeiter sind meist nicht organisiert. Sie schicken Agitatoren auf jedes Gut, die dort Gewerkschaften gründen. Immer mehr Indios fordern — trotz der „traditionellen Bindung“ —, daß sie das Land bekommen, das sie bisher für den „Herrn“ bearbeiten. Um dem starken Einfluß der katholischen Kirche entgegenzuwirken, verteilen die Kommu

nisten kleine „Bibeln“. Sie enthalten Auszüge aus dem Neuen Testament und Kommentare, nach denen schon Christus den Kommunismus predigte.

Seit dem Ende der Diktatur Odrlas sind etwa tausend Gewerkschaften in Peru anerkannt worden, die zu 95 Prozent von der gemäßigtlinken nationalistischen APRA-Partei beherrscht werden. In Cuzco sind aber alle Gewerkschaften fest in kommunistischen Händen!

sind nach Moskau geladen“

Die Kommunisten behaupten, keine Vereins- und Pressefreiheit zu besitzen. Aber vor mir liegt das gedruckte Pro- ! gramm des „Instituto Cultural Jose Car- ' lösWläriategüi“,

zu -zehtf Veränstaltuhbn, did zwischen dem 3. und dem 13. November 1960 i ihrem: LokSl Atfe&där!BflP.®Nr.BSw zur Feier des 43. Jahrestages der Sozialistischen Revolution abgehalten wurden.

Die Infiltration ist weit fortgeschritten. Der Präfekt gehört zwar formell der pradistischen Regierungspartei an. Aber er ist so prokommunistisch, daß er erreicht hat, daß der gerade hinter dem Eisernen Vorhang zum Agenten ausgebildete Arbeiterführer Huamantica als „verdienstvoller Bürger Cuzcos“ auf der in jedem Jahr veröffentlichten Ehrenliste der Stadtverwaltung erschien.

Die Cuzcoer Studenten haben eine Volkstanzgruppe gebildet, die durch ihren Rhythmus und ihre echten Kostüme anzieht, aber ihren Dilettantismus nicht zu verbergen weiß. „Sie sind auch nach Moskau eingeladen“, sagte mein Nachbar in der Vorführung. Alle sind nach Moskau eingeladen.

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