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Unliebsame Eindringlinge

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Die junge Regisseurin Sabine Derflinger hat sich die Mühe gemacht, den Alltag einiger Schubhäftlinge auf Zelluloid zu bannen. „Achtung Staatsgrenze”, so heißt der Dokumentarfilm, den sie letzten Winter in einem Linzer Gefangenen -haus gedreht hat und der einen Rlick hinter Statistiken und politische Parolen in Sachen Fremdengesetze gewährt.

Es ist der ganz normale Tagesablauf, der da gezeigt wird, vom Wecken um sechs Uhr morgens bis zum abendlichen „Licht aus” - mit all dem Leerlauf dazwischen. Einmal pro Tag ist ein Spaziergang angesagt, 20 Minuten, im Hof des Gefangenenhauses. Einmal in der Woche darf geduscht werden und drei Minuten telefoniert. Die Gebühren für diese Telefongespräche - sprich die Telefonwertkarten - spendiert SOS-Mitmensch.

„Du weißt nicht, was du machen sollst”, bringt es einer der Schubhäftlinge im Pilm auf den Punkt, „du fühlst dich wie in einer Schachtel. Am liebsten möchtest du mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Ich bin vor dem Gefängnis zu Hause geflohen, und jetzt sitze ich wieder im Gefängnis. Das ist schon ziemlich unmenschlich.”

Die Männer, die in „Achtung Staatsgrenze” zu Wort kommen, sind allesamt nicht kriminell. Im Gegenteil, sie sind teilweise nach Österreich gekommen, um anständige Menschen bleiben zu können. Um nicht gegen Unschuldige kämpfen zu müssen. Daß sie jetzt im Gefängnis sitzen, demütigt sie zutiefst. Manche verzichten darauf, ihre Familien anzurufen, nur um die vermeintliche Schande nicht eingestehen zu müssen.

Der Film besteht aus Momentaufnahmen, die sich im Laufe des Geschehens zu Geschichten formen. Da ist beispielweise das Brüderpaar Mehmet und Fikret. Sie kommen aus Bosnien und teilen sich in der Schubhaft eine Zelle. Zu Hause, so erzählen sie, hat man sie gezwungen, gegeneinander zu kämpfen. Man hat sie einfach in zwei verschiedene, verfeindete Armeen einberufen. Eine Zeitlang haben sie mitgemacht, dann sind sie desertiert. Mittlerweile, so berichtet eine Betreuerin von SOS-Mitmensch, sind die zwei bei ihrer Schwester in Deutschland. Im dritten Anlauf hat sie es geschafft, gültige Papiere für die beiden zu bekommen und sie zu sich zu holen. Die meisten haben weniger Glück.

„Achtung Staatsgrenze” zeigt aber nicht nur das Leben der Häftlinge (auf unaufdringliche und behutsame Art übrigens). Auch die andere Seite, die der Wachbeamten, wird berücksichtigt. Sabine Derflinger verzichtet darauf, schwarz-weiß zu malen, macht auch deutlich, daß es da sehr wohl guten Willen gibt unter den Aufpassern. Allerdings, so berichtet sie, seien nur wenige Beamte bereit gewesen, sich filmen zu lassen und auch von ihrer Sichtweise des Gefängnisalltags zu sprechen.

Einerseits gibt es keine billigen Schuldzuweisungen, andererseits wird aber sehr wohl klar, auf wessen Seite die Filmemacher stehen. „Gerade der Dokumentarfilm hat die Aufgabe, sich auf die Seite der Entrechteten zu stellen”, sagt Sabine Derflinger. Und mittlerweile hat man in Linz festgestellt, daß sich diese Art von Engagement sehr wohl lohnt.

Günther Ecker von SOS-Mitmensch berichtet, daß heute auch die Wachebeamten die Arbeit der Flüchtlingshelfer schätzen. „Es ist ja eine Entlastung für alle, wenn wir uns um die Häftlinge kümmern.”

Trotz aller positiven Ansätze ist jedoch die menschliche Bilanz in Sachen Schubhaft niederschmetternd.

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