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Um Wahrheit

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Das politische Establishment in der Steiermark hat der Wehrmachtsausstellung weder öffentlichen Raum noch Förderungen zur Verfügung gestellt. Es bewältigt die Vergangenheit auf österreichisch: man schaut weg, igelt sich ein, fühlt sich angegriffen, vermutet Böses, flüchtet in Ausreden - von „Pflichterfüllung” über „einseitig” und „unwissenschaftlich” bis zu den Grazer Wahlen.

Nun sei unbestritten, daß die Ausstellung Mängel hat. Verunglimpfen einer ganzen Generation ist abzulehnen. Schuldzuweisungen sind kontraproduktiv. Faktum ist aber, daß auch die Wehrmacht aktiv und passiv an Greueltaten beteiligt war. Das alles sage ich nicht, weil ich mich für moralisch höherstehend betrachte. Ich anerkenne, daß jede Entscheidungssituation Aspekte hat, die hic et nunc weder reproduzierbar noch gedanklich-emotional nachvollziehbar sind; daß Menschen auch durch die Zeit geprägt werden, in der sie leben; daß heroisches Verhalten zwar leicht besungen, aber schwer gelebt werden kann.

Keine Generation kann sich aber dem Urteil nachfolgender Generationen entziehen. Dieser Sachverhalt gilt auch für uns. Man muß über die Vergangenheit informieren, auch darüber, daß einem das Hemd des eigenen Lebens und Fortkommens näher war als der Rock der Kritik und des Widerstandes. Man muß verlangen, daß diejenigen, die damals Entscheidungen getroffen haben, nichts beschönigen oder uminterpretieren und Verantwortung tragen für das, was getan oder unterlassen wurde. Wir müssen unsere Väter und Mütter bitten, uns die Wahrheit zu sagen. Und man muß darüber nachdenken, was man heute tun kann, Entwicklungen von damals in Zukunft hintanzuhalten.

Es wird viel darüber gesprochen, wie Vergangenheit bewältigt werden kann. Unerläßlich ist es, Schuld, Versagen und Unrecht nicht einfach hinzunehmen und zur Tagesordnung überzugehen, sondern zum Anlaß zu nehmen, aktiv zu werden und beizutragen, daß Toleranz und Verstehen gestiftet werden. Warum all das? Weil es um Erinnern, Nachdenken, Integration von Schuld und Versagen, Umsetzen von Schuld und Versagen in positives Tun geht - und um Distanz gegenüber stetiger, auch heutiger Versuchung, sich einzuigein, Anderssein zu denunzieren, den öffentlichen Raum durch Rückzug ins Private preiszugeben.

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