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Das Kolloquium

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Kommenden Freitag ist es so weit: Leonardo Boff, der brasilianische Franziskaner-Theologe, wird vor einer Kommission der vatikanischen Glaubenskongregation in einem .Kolloquium" Rede und Antwort über sein Buch Kirche, Charisma und Macht" zu stehen haben.

Leonardo Boff ist einer der Väter der sogenannten Theologie der Befreiung, mit der sich Kardinal Joseph Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation, in jüngster Zeit mehrfach kritisch befaßt hat.

Die Theologie der Befreiung ist „keine neue Theologie, sondern lediglich eine neue Art, Theologie zu betreiben", diagnostizierte Rudolf Schermann in seinem Buch ,JDie Guerilla Gottes" (Econ. 1983). Dagegen fand Kardinal Ratzinger, hier handle es sich doch um eine .Jundamentale Gefährdung des Glaubens der Kirche", weil für diese Theologen z. B. Liebe nur in der „Option für die Armen" bestehe und damit „mit der Option für den Klassenkampf zusammenfällt".

Träfe letzteres zu, hätte der Vatikan gewiß Grund zum Einschreiten. Aber die „Option für die Armen" ist ja auch ein Papstwort und sicher nicht als Klassenkampf gemeint. Wie es P. Boff gemeint hat, wird er beim .Kolloquium" ja sagen. Viele brasilianische Bischöfe stehen ebenso wie die franziskanischen Ordensprovinzen von Osterreich, Deutschland und anderer Länder auf seiner Seite.

Wahr ist, daß Theologie der Befreiung in der lateinamerikanischen Praxis oft konkret auch bedeutet, daß Priester Parteien, Gewerkschaften oder Genossenschaften gründen helfen, Brunnen graben, Schulen reformieren und Spitäler organisieren.

Ihre „eigentliche" Aufgabe ist das nicht. Aber hat Gott, als der Pharao die Israeliten quälte, diese mit Jenseitspredigten getröstet oder aus Ägypten mit starker Hand befreit?

„Wie kann ich von einem barmherzigen Gott sprechen, wenn die Lebenssituation so unbarmherzig ist?" fragte der aus Österreich stammende brasilianische Bischof Richard Weberberger dieser Tage. Das ist die zentrale Frage, um die es in Rom geht.

Nur sehr unbekümmerte Christen unserer satten Länder werden selbstgerecht den Stab über Männer und Frauen wie Leonardo Boff zu brechen wagen. Daß er selbst sympathisch im voraus angekündigt hat, das Urteil des Vatikans zu respektieren, berechtigt ihn auch zur Erfüllung seiner Bitte, „mit mir zu beten, daß es mir nicht am nötigen Freimut fehle".

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