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Hodschas Erbe

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Der verstorbene albanische Parteichef Enver Hodscha wird sicher als Prototyp des Stalinisten, Religionsfeindes und skrupellosen Diktators in die Erinnerung der Nachwelt eingehen. Auf Grund der Tagespolitik seiner über 40jährigen Herrschaft über Albanien beurteilt, ist diese vordergründige Einschätzung sicher zutreffend. Sie wird aber den persönlichen Qualitäten des Menschen Hodscha, seinen Einsichten als politischer Denker und den gemäßigteren Ansätzen seiner drei letzten Jahre kaum gerecht.

Der schon länger kranke und jetzt im Alter von über 76 Jahren verschiedene Hodscha läßt sich bei seiner Wertung genau so wenig über einen Leisten schlagen wie man nicht ganz Albanien in seiner unverwechselbaren Eigenart einfach zum Ostblock, zum Balkan oder zum Abendland zählen darf.

Diese politische und ideologische Vielschichtigkeit war Hodscha sichtlich schon in die Wiege gelegt: geboren am 16. Oktober, 1908 als Sohn eines islamischen Moscheepredigers in der vorwiegend griechisch-orthodoxen Stadt Gjirokastra in Südostalbanien. Die Hodschas waren erklärte Freunde der Türkei und gaben ihrem Sprößling daher den Vornamen Enver nach General Enver Pascha, einem Führer der Jung-türkischen Revolution desselben Jahres 1908.

Was dann den jungen Studenten Hodscha im Paris der Zwischenkriegszeit am Kommunismus faszinierte, war dessen internationaler und areligiöser Charakter. Nur so, glaubte er, seiner von Nationalitäten- und Religionszwisten zerfleischten Heimat eine bessere Zukunft erringen zu können.

Nachdem er 1941 die albanische KP gegründet hatte, gab ihm der Ausgang seines Partisanenkrieges gegen Italiener und Deutsche recht. Hingegen mißlang der geplante Export seines Systems im griechischen Bürgerkrieg.

Hodscha schloß Albanien darauf völlig ab und diktierte ihm seinen eigenen Weg: einen Weg voller Opfer unter seinen Widersachern und den Verfechtern einer öffentlichen Rolle des Islam und der christlichen Kirchen; einen Weg, der aber ebenso die Albaner aus drückender Not, Analphabetismus und chronischem Krankenstand durch Malaria und Syphilis herausgeführt hat.

In den letzten Jahren zog sich der alte Mann Albaniens von allen Kämpfen an der politischen Front zurück. Wo er noch Weisungen erteilte, betrafen sie eine behutsame Öffnung des Landes wie seiner strikten altkommunistischen Ideologie. Er widmete sich seiner Großfamilie, nachdem er die Familie als Fundament der albanischen Gesellschaft zum Unterschied von seinen ehemaligen sowjetischen und chinesischen Freunden überhaupt nie angetastet hatte.

Nach dem großen Staatsbegräbnis in Tirana am Montag steht Hodschas Nachfolger noch vor Ablauf der einwöchigen Trauerzeit fest: es ist der 59jährige albanische Präsident Ramiz Alia. Er hat sich neben diesem Repräsentationsamt als Chef ideologe an der Seite des alten Hodscha profiliert. Seinem pragmatischen Flügel in der albanischen KP stehen allerdings noch immer starke stalinistische Kräfte entgegen.

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