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Diktator in Albanien

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Eine strategisch interessante Küste, Erze, Asbest und öl machen Albanien heute zum begehrlichen Objekt der Mittelmeerpolitik. Wenn Enver Hodscha, sein Ministerpräsident und Kriegsminister, schon seit vier Jahren im königlichen Schloß von Tirana über seine Volksrepublik herrscht, verdankt er es diesen materiellen Reizen. Der kleine Generaloberst mit den großen Kinderaugen vermag zwar auch in seiner Galauniform nicht die Würde eines Orientalen zur Schau zu tragen, er versteht es aber, mit seinem Pfund zu wuchern.

Sein erster Partner war der jugoslawische Marschall Josip Brož-Tito. Zwar hatte er noch 1944 mit ihm eine blutige Auseinandersetzung um das Amselfeld mit Kosowo und Metchija, doch zog er den kürzeren und mußte froh sein, daß Tito den dort ansässigen Albanern eine Autonomie gewährte. Enver Hodscha trug es Tito nicht nach, daß er an ihn dieses waldreiche Stück von Südserbien verlor, und schloß mit Tito am 9. Juli 1946 einen Freundschafts- und Hilfspakt, am 27. November 1946 ein Abkommen über die Zollunion, die Vereinheitlichung der Währung und der Wirtschaft . beider Staaten. Das völlig ' hilflose Albanien wäre ohne die Hilfe der Jugoslawen an Hunger zugrunde gegangen. Die Belgrader Staatskasse deckte 1947 die Hälfte des albanischen Staatsbudgets und bis zum Juli 1948 brachten vier gemischte Gesellschaften die Förderung von Erzen und öl wieder in Gang, erbauten ein Elektrizitätswerk, richteten eine Textilfabrik ein. Der jugoslawischen Initiative gelang es, eine Im- und Exportgesellschaft zu aktivieren, eine gemeinsame Bank ins Leben zu rufen. Mit jugo slawischem Material und Fachwissen wurden zwei Eisenbahnen gebaut, jene Ende 1947 eröffnete Linie von Durazzo nach Pekinj bei Elbassan mit 43 Kilometer Länge und von Durazzo nach Tirana, die vor einigen Monaten in Betrieb genommen wurde. Für Tito ist Albanien ziemlich teuer gekommen. Jugoslawiens Außenhandel mit Albanien, mit dem er sich bezahlt machen wollte, bestand bis Mitte 1948 wertrtiäfIig zu 81,5 Prozent aus jugoslawischen Lieferungen und nur zu 18,5 Prozent aus albanisdien G-egen- leistungen. Allan an Krediten hat Jugoslawien 2,5 Milliarden Dinar zu fördern. Enver Hodscha.ist Belgrad.bis heute ąber auch die Ausrüstung seiner Armee im Werte von 1,5 Milliarden schuldig geblieben und . nicht einmal das Tuch • seiner Generalsuniform gehört ihm. Schließlich hat das Belgrader Außenministerium durch zweieinhalb Jahre die diplomatischen Interessen Tiranas im Ausland kostenlos vertreten.

Diese hohen Finanz- und Anständigkeitsverpflichtungen haben den Diktator von Albanien nicht abgehalten, sofort nach der ftüsstoßung Titos aus dem Kominformbüro Ende Juli 1948 allen Umgang mit dem Gezeichneten abzubrechen. Seither ist das jugoslawisch-albanische Herdgespräch über den Skutarisee hinweg sehr einseitig geworden. Der amtliche Kontakt der beiden Schüler Lenins besteht in einer Mappe von Rechnungen, die Tito in Tirana präsentieren ließ. Ihr Inhalt verrät, daß unsere Bilanz noch lange nicht vollständig ist und beispielsweise ein von jugoslawischer Seite schon begonnener Straßen- und Bahnbau zwischen Prizrend und dem nordostalbanischen Kukės drüben brüsk abgebrochen, die Vermessung zur Trockenlegung des Malariagebietes von Skutari nutzlos, die geplante Verlängerung der neuen montenegrinischen Kleinbahn von Niksiö über Podgorica (Titograd) nach Albanien überflüssig geworden ist.

Der kleine Diktator in Tirana, der in seinen pomphaften Reden sich gerne auf den mittelalterlichen Heros der Skipetaren, auf Georg Skanderbeg, beruft — wo mag er wohl die Tüchtigkeit im Geschäft her haben? Enver Hodscha ist ein pfiffiger Kopf und hat als Student in Montpellier, Paris und Brüssel genug kapitalistische Manieren gelernt, um hinter dem Konflikt mit Tito die günstige Chance zu wittern. War Idealismus die Größe des Helden Skanderbeg im Kampfe gegen den Halbmond, so ist diese Tugend bei Enver Hodscha gerade nicht zur vollen Reife gediehen. Bei seinen 31 Jahren hätte man dies allmählich erwarten dürfen, zumal er schon als Student der Philosophie und als Konsulatssekretär zu Paris in der „Humanite“ Branidartikel gegen seinen Monarchen, König Zogu, und dessen vier Schwestern schrieb. Auch als Lehrer am Lyzeum von Tirana und Korea, im zweiten

Weltkrieg als Partisane und Redakteur des Untergrundblattes der Kommunistischen Partei, als biederer Maurer Hasan und Elektriker Thanas mitten in der deutschen und italienischen Okkupation predigte er nur Aufopferung und die Freiheit von Besitz. Seine Vorliebe für den Glanz entdeckte er erst am 25. Mai 1944 wieder, als ihn der Erste albanische Antifaschistenkongreß in den Bergen zum Vorsitzenden und in den Rang eines Generalobersten erhob. Er mag mit Neid auf seinen Kollegen Tito gesehen haben, dem ein größerer Staat auch die Mittel zu einer prachtvolleren Hofhaltung gaben, doch war dies für den klugen Enver noch kein Grund, die Freundschaft aufzukündigen. Viel empfindlicher wurde sein Ehrgeiz getroffen, als Tito eifersüchtig darauf sah, daß Enver Hodscha keinen eigenen Draht zum Kreml erhielt. Er mußte Belgrad als Schaltstelle benützen.

Wenn heute von Enver Hodscha der Vorwurf erhoben wird, Tito habe Albanien als seine Kolonie betrachtet, dann hat er nicht ganz unrecht. Politisch war die Tendenz der Jugoslawen nicht zu leugnen, ihre Hausmacht um Albanien zu vergrößern, ökonomisch aber hat Enver Hodscha genau in dem Moment abgestoppt, als Jugoslawien genügend Investitionen in die „Kolonie“

hineingesteckt hatte und eben dabei war, die Zinsen einzutreiben. Aber auch in einem kommunistischen Büro verfährt man nach kaufmännischen Prinzipien, und wenn Enver Hodscha das unverdiente Glück hatte, seinem Gläubiger Tito die Zinsen und die Amortisation ungestraft schuldig bleiben zu dürfen, dann kann er dies nicht von seinem neuen Geldgeber, der Sowjetunion, erwarten.

Vor einigen Wochen hat Enver Hodscha, der Mann mit einer interessanten Küste und einem Schatz von ungeborgenem Erdöl, einen triumphalen Einzug in Moskau gehalten. Seither landen auf dem Flugplatz von Tirana, den ihm noch die Italiener gebaut haben, russische Flugzeuge mit Militaristen, Technikern und Kaufleuten, auf der Reede von Durazzo löschen russische Dampfer ihre Ladungen von Maschinen, Lokomotiven, Waggons, Weizen und Baumwolle. Sie nehmen dafür öl und kostbare Erze an Bord. Von den Italienern an die Sowjetunion abgetretene Kriegsschiffe ankern noch im albanischen Hafen Valoną, dem einzigen Stützpunkt der Russen am Mittelmeer. Der kleine Diktator von Albanien mit den großen Kinderaugen ist der praktische Nutznießer einer modernen Wissenschaft, die man Geopolitik nennt. Er lebt von der Verpachtung des adriatischen Brückenkopfes in der Straße von Otranto an den Meistbietenden. Gegenwärtig sind die Russen an der Reihe.

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