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Kulissenwechsel in Albanien

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Satelliten sind die Begleiter eines sie regierenden Sternes, um den sie kreisen müssen. Seit Stalin, die „Große Sonne“, erblaßt und seit seine Allmacht verblaßt ist, haben die' Satelliten, die um ihn ihren politischen Lebenslauf nahmen, einer nach dem andern wenn nicht ihre Existenz, so doch ihren prahlenden Helligkeitsgrad eingebüßt. In allen Volksdemokratien haben die jeweiligen! Kommunisten Nummer eins aufgehört, zugleich Parteiführer und Regierungschef zu sein, inmitten eines örtlichen Personenkults, der, in gebührendem Abstand, dem Stalin gezollten kaum naebgab. Als letzter und geringster Allmachthaber ist nun Enver Hoxha, Albaniens Diktator, von längst ihn umlauernden Rivalen zurückgedrängt und auf die Mitsprache innerhalb einer kleinen Parteioligarchie beschränkt worden. Eine fesselnde Gestalt, dieser Balkanpolitiker aus muselmanischem Kleinadel, der in Grenoble studierte, darnach Gymnasialprofessor für Französisch wurde und, kaum dreißigjährig, an die Spitze der unterirdischen kommunistischen Partei seines Landes trat! Von feuriger Beredsamkeit, die er, zum größten Erstaunen der westlichen Staatsmänner, später in Paris, Anno 1946, in übersprudelnder, von lebhaften Gebärden unterstrichener Be redsamkeit bekundete, mutig und brutal, rachsüchtig und bedenkenlos, sehr gescheit' und sehr leidenschaftlich, kurz, ein echter Skipetar, hat Enver Hoxha es verstanden, ähnlich wie Tito — mit dem er anfangs in engstem Kontakt beharrt« — die nichtkommunistischen Volksgenossen durch den Appell an ihren Freiheitswiilen und an ihren Haß gegen die fremden italienischen und deutschen Okkupanten um sich zu scharen. Der „Antifaschistische Kongreß der nationalen Befreiung“ wählte ihn am 24. Mai 1944 zum Präsidenten einer provisorischen Regierung und zum Oberbefehlshaber. Er verfügte bald über ein Heer von 70.000 Mann (und Frauen!), eroberte Tirana und konnte am 29. November desselben Jahres, der seither zum Nationalfeiertag erklärt wurde, die Säuberung Albaniens von feindlichen Truppen melden. Wahlen brachten Anfang Dezember 1945 die erwartete kommunistische Mehrheit zu einer verfassunggebenden Versammlung, die am 11. Jänner 1946 die Volksdemokratische Republik verkündete und am 14. März 1946 eine Konstitution beschloß, die dann am 4. Juli 1950 völlig nach dem damals in allen Satellitenstaaten geltenden Sowjetmuster abgeändert wurde. Dieses Regime, bei dem Enver Hoxha als GeneraU

Sekretär der Arbeitspartei, als Ministerpräsident, Außen- und Kriegsminister sämtliche entscheidenden Funktionen in seiner Hand vereinigte, ist nun am 1. August 1953 nochmals, im Sinne des nach Stalins Tod erfolgten Umbruchs zur kollektiven Führung, modifiziert worden.

Enver Hoxha hatte schon vorher mit Konkurrenten im eigenen Lager zu kämpfen. Die einen, konnte er liquidieren, indem er sie als Titoisten aburteilen ließ: Koęi Dode und Pandi Christo, die als . Hochverräter hingerichtet wurden. Einen zweiten Mitbewerber um die Macht, den in Moskau geschulten und dort sehr angesehenen Offizier Mehmed Shehu, versuchte er im Februar 1952 auszuschalten, und es gelang dem seinerseits im Kreml über gute Verbindungen verfügenden Ministerpräsidenten, zu erwirken, daß Mehmed Shehu zwar in der Regierung verblieb, doch kaltgestellt wurde. Enver Hoxha hatte es ferner mit einem anderen Militär zu tun, mit Bekir Baluku, der als Generalstabschef die albanische Armee 'organisiert hatte. Im Verlauf einer großen Säuberung, die im Frühjahr 1952 vorgenommen wurde, wurde auch dieser General entfernt.

Doch die Wendung in Moskau machte all« Triumphe des albanischen Diktators fraglich.

Eben erst hatte er in der internationalen Zeitschrift der Kominform ein Bekenntnis zum „Großen Stalin“ abgelegt, die alleinige Teilnahme der Sowjetunion an Albaniens Befreiung gerühmt, den Kampf gegen jederlei von der Generallinie Abweichende, gegen „Trotzkisten, Belgrader Verräter und griechische Monarchofaschisten“ gepredigt. Nun hieß es, die vor Jahresfrist ausgeschalteten Rivalen wieder mit an die Macht lassen. Mehmed Shehu, der ungeachtet seines Abgangs aus dem Parteisekretariat Innenminister geblieben ist, wieder realen Einfluß zu gewähren und vor allem die faktische Ob- gewalt mit Baluku teilen, dem Enver Hoxha das Kriegsportefeuille und damit den Oberbefehl über die Armee abtreten mußte.

Eine weitere Verringerung der Position des einst Alleinmaßgebenden ist nun im heurigen Juli geschehen oder vielmehr offenkundig geworden. Am 12. Juli nahm das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei eine Reihe von Reformen an, die Albanien als letztem Satellitenstaat die in allen Volksdemokratien verwirklichten Aenderungen brathren: Trennung der höchsten Aemter der Partei von denen im Staate, Aufhebung des Postens eines Generalsekretärs und statt dessen Schaffung der Stelle eines Ersten Sekretärs — die scheinbar unwesentliche Umbenennung soll den Kollektivgedanken ausdrücken —, Gleichordnung der Angehörigen der faktisch die oberste Gewalt ausübenden Parteiführung. Dabei wurde Enver Hoxha auf die Funktionen des Ersten Parteisekretärs beschränkt; er bekleidet nunmehr kein Portefeuille. Mehmed Shehu wurde am 20. Juli von der Nationalversammlung mit der gewohnten Einstimmigkeit zum Ministerpräsidenten gewählt. Bekir Baluku ist erster Stellvertreter des Regierungschefs und Verteidigungsminister, sein Freund Hussein Kapo ebenfalls erster Vizepremier. Auf Shehus Platz als Innenminister rückt ein anderer General auf. Bechar Schtili aber wird als Außenminister die neuen, vom Kreml befohlenen Richtlinien verfolgen.

In seiner Programmrede vor dem Scheinparlament hat Shehu nicht mehr von jugo- lawischen Verrätern gesprochen, sondern mit Befriedigung die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zu Belgrad verzeichnet; die Athener Staatslenkef aber. | heißen nicht mehr Monarchofaschisten, sondern Nachbarn, mit denen Albanien die’ i Freundschaft, wiederaufrichten und pflegen möchte. Blickt man in die albanischen Zeitungen, vom parteioffiziellęn „Zeri i Populit“ į zum „Baskini“, dann erkennt man kaum die wutschäumenden Federkriegshelden wieder, die vor eineinhalb und zwei Jahren in jenen Spalten sich austobten. Enver Hoxha hat sich auf das im Rang herabgesetzte Parteisekretariat zurückziehen müssen, weil gemäß der allgemeinen Tonart des Ostblocks die Regierung auch des kleinsten Satellitenstaates nicht von denselben Männern geleitet werden soll, die in Perioden heftiger internationaler Spannung im Vordergrund stehen. Doch man täusche sich nicht: auch Mehmed Shehu ist ein unbedingt moskautreuer, eifriger Kommunist, der nur seinem Auftrag gehorcht, wenn er friedliche Saiten aufzieht- Enver Hoxha ist zwar in seinen Befugnissen beschnitten, doch bleibt er im Hintergründe wirksam, und man wird ihn sofort wieder hervorholen, wenn Moskau dies in Anbetracht einer neuerlich verschärften «Weltlage für nötig erachtet.

DIE ÖSTERREICHISCHE

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