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In Sachen Wilhelm Thöny

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Wieland Schmied, der Österreicher und einstige Angehörige des engsten Mitarbeiterstabes der FURCHE, schrieb ein Buch über den Österreicher Wilhelm Thöny und unternahm damit einen energischen Schritt, diesem zu der Anerkennung zu verhelfen, die ihm gebührt. Thöny war einer der bedeutendsten Maler des zwanzigsten Jahrhunderts, und keineswegs nur Österreichs. Aber die Zahl derer, die das wissen, macht sicher nur einen kleinen Bruchteil derer aus, denen etwa der Name Kokoschka geläufig ist.

Thöny war kein Neuerer. Er hat nicht mit Sehkonventionen gebro- • chen, nichts revolutioniert, und trotzdem das absolute Maximum dessen erreicht, was einem gegönnt sein kann, der sich als Künstler mit der Wirklichkeit auseinandersetzt.

Er war als Aquarellist wie als Zeichner ein Virtuose der Verknappung, Farbe gewinnt bei ihm eine jeden Widerspruch zwischen Impressionismus und Expressionismus aufhebende Intensität. Das Himmelsblau seiner Ölbilder macht den Himmel durchsichtig, die Farbtupfer seiner Aquarelle lassen alle Dinge leicht bis zur völligen Auflösung in Heiterkeit und Wohlgefallen erscheinen, die Herren in Frack und Zylinder, die auf einer seiner lavierten Federzeichnungen einander auf der Brücke begegnen (Welche Macht sie treibt, welches Schicksal sie voreinander verbirgt, , in welchem Drama sie spielen, fragt Wieland Schmied) scheinen direkt dorthin unterwegs, wo alles ist oder nichts.

Wilhelm Thöny, der zwei Jahre jünger war als Kokoschka und zwei Jahre älter als Schiele, war mit Ku- bin eng befreundet, aber er war kein

Maler der Transzendenz, sondern einer der Transparenz. Kubin nähert sich dem Unbegreiflichen literarisch - Thöny malerisch und zeichnerisch. Die unter einer Ahnung von einer Fahne huschenden Schemen auf seinem Aquarell „La Marseillaise“, sein „Napoleon vor den Pyramiden“ auf einem Ölbild wirken bei oberflächlicher Betrachtung „impressionistisch“, doch was da verschwimmt, sind nicht die Konturen der konkreten Dinge, sondern die Grenzen des Jetzt und Hier, aufgelöst wird nicht der Gegenstand, sondern die Realität.

Es gibt auch noch einen ganz anderen Thöny, den Thöny der prallen Sinnlichkeit, den Thöny der südfranzösischen Gärten und der Straßenszenen in Paris, und Thöny, den souveränen und virtuosen Spieler mit den Formen der Wolkenkratzer von New York (Abbildung), die ihn so sehr beeindruckten, daß sie zu einem seiner zentralen Themen wurden.

Und es gibt den Namen Thöny als Synonym für eine der großen Tragödien in der Geschichte der Kunst. Bei einem Warenhausbrand in New

York ging 1948 ein großer Teil seines Lebenswerkes zugrunde; die kleinere Hälfte, wie man heute weiß, denn vieles, was erjselbst für durch den Krieg vernichtet hielt, tauchte später wieder auf. Der Verlust traf ihn so schwer, daß er ein Jahr später starb.

Das Buch von Wieland Schmied ist nicht nur mit dem Sachverstand des Fachmannes, sondern vor allem mit Liebe geschrieben. Es ist, neben Thönys Erinnerungen „ … mit y“, die wichtigste Publikation über den Künstler. Es sagt, was zu sagen ist. Vieles bleibt offen. Dreißig Jahre nach Thönys Tod ist an einen echten Werkskatalog zum Beispiel noch immer nicht zu denken.

Der Abbildungsapparat ist grandios, der Farbdruck optimal - nicht im Sinne von Identität, sondern von größtmöglicher Annäherung.

WILHELM THÖÜY. Von Wieland Schmied. Verlag Galerie Welz, Salzburg. 208 Seiten, 57 Farbtafeln, 32 Reproduktionen von Zeichnungen, öS 1076,40.

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