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Kunst im Bann der Weltstädte

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„Man sagt und liest, daß diese Zeit keiner Kunst bedarf- ich finde, daß noch keine Zeit ihrer so bedurft hat, denn hätten wir sie nicht, so bliebe nur mehr Politik und das Brausen der kalten Maschinen..schrieb 1932 Wilhelm Thöny aus Paris an seinen Freund Alfred Kubin. Und: „ … Wir, die wir der Kunst dienen, wissen, daß die Welt weit und die Schönheit überall ist. Keine Grenzen, nein! Seid umschlungen - alle Weiten, Himmel und Bäume, Menschen und die Flüsse. Sie alle leben vom Atem eines Höchsten und überall schlägt sein Herz.“ Ein Lebensbekenntnis, das seine Existenz bis zum letzten Tag, dem 1. Mai 1949, als ihn in New York ein Schlaganfall dahinraffte, bestimmte.

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„Man sagt und liest, daß diese Zeit keiner Kunst bedarf- ich finde, daß noch keine Zeit ihrer so bedurft hat, denn hätten wir sie nicht, so bliebe nur mehr Politik und das Brausen der kalten Maschinen..schrieb 1932 Wilhelm Thöny aus Paris an seinen Freund Alfred Kubin. Und: „ … Wir, die wir der Kunst dienen, wissen, daß die Welt weit und die Schönheit überall ist. Keine Grenzen, nein! Seid umschlungen - alle Weiten, Himmel und Bäume, Menschen und die Flüsse. Sie alle leben vom Atem eines Höchsten und überall schlägt sein Herz.“ Ein Lebensbekenntnis, das seine Existenz bis zum letzten Tag, dem 1. Mai 1949, als ihn in New York ein Schlaganfall dahinraffte, bestimmte.

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Wie sehr diese Sätze auch Credo für sein faszinierend eigenwilliges Schaffen waren, beweist erneut eine umfangreiche Thöny-Schau der Salzburger Galerie Welz, die einige seiner schönsten Werke vereinigt und zu der auch eine hervorragende Dokumentation von Wieland Schmied, „Thöny - Porträt eines Einzelgängers“ erschienen ist.

Es hängen da ein paar Schlüsselbilder: das prächtig irisierende Gemälde „Paris Gambetta“, die sparsam hingekleckste „Begegnung“, der berühmte „New Yorker Zoo“, Zeichnungen zu seinen Beethoven- und Revolutionszyklen … Werke, die ihn, den Zeitgenossen Kokoschkas und Schieies, als den dritten großen Einzelgänger der österreichischen Malerei ausweisen. Von Kubin, mit dem er eng befreundet war und korrespondierte, blieb er allerdings - genauso wie von der Wiener Secession - künstlerisch unbeeinflußt.

München hat in seinem Leben eine große Rolle gespielt, später Paris, die Cöte d’Azur, New York. Das politische Klima Europas in den dreißiger Jahren war ihm wohl zu stickig geworden. Der Reiz, den Weltstädte wie New York auf ihn ausübten, zog ihn magisch an. Und inspirierte ihn zu seinen bedeutendsten Bildern, die überquel len von einer seltsam lockeren Farbgebung, von flutendem Licht, von rasch changierenden Nuancen. Allerdings verlieren diese Themen und Objekte niemals ihr Eigenleben (wie etwa bei Raoul Dufy, mit dem man Thöny oft verglich); Thöny lag stets an jedem einzelnen Objekt, an der Kuppel des Pariser Pantheons wie am Kapitol in Washington, an den Bäumen eines Gartens der Cöte d’Azur wie an den Details eines Damenkleids von Anno 1930. Und sogar, wenn er die Abstraktion, wie in manchen New-York-Vedu- ten, bis an die äußersten Grenzen trieb, Wolkenkratzer völlig in geometrische Fensterflecken und Lichttupfen auflöste, lag ihm doch stets an der Erkennbarkeit des Sujets, an der Eigenart des Motivs, das ihn angestachelt hatte, den Pinsel in die Hand zu nehmen.

Die größte Katastrophe in Thönys Leben war wohl das Jahr 1948: Seine Arbeiten lagerten damals in einem Depot, um für eine neue Ausstellung bereit zu sein. Ein Brand vernichtete fast 1000 Bilder und Blätter, fast sein ganzes in den USA befindliches Oeuvre. Er faßte zwar danach noch einmal den Mut, neu anzufangen, aber mehr als ein weiteres Jahr war ihm nicht mehr zu arbeiten gegönnt.

„Thöny war ein Weltmann. Er selbst ist der Herr im Frack und mit Zylinder, der durch viele seiner Bilder geht, der Besucher im Theater, der Sommergast auf dem Gartenfest, ein stummer und distanzierter Beobachter“: So charakterisiert ihn Wieland Schmied. Und das trifft genau diese eigenwillige Existenz, den Mann, der vorwiegend in Hotels lebte (selbst in seiner Heimatstadt Graz wohnte er im

Grandhotel Wiesler)vim Pariser Hotel „Quai Voltaire“, im „Pont Royal“, im New Yorker „Barbizon Plaza“, obwohl er in Graz und Paris Ateliers besaß. Es spiegelt sein Stets-zum-Aufbruch-be- reit-Sein, sein Nirgends-zu-Hause- Sein, das übrigens seine beiden Frauen, Amerikanerinnen, mit ihm teilten.

Dieser Hauch von Flüchtigkeit, dieses Moment des Rasch-E rfassens, prägte eigentlich auch die meisten seiner Werke. Und seine Einstellung, nichts an sich herankommen zu lassen, weil „er sich zu verletzlich wähnte“.

Aber daher sind auch manche seiner Figuren zu verstehen, die - einmal gesehen - immer wieder zitiert werden: der schwarzgekleidete Herr etwa, der wie ein Todesengel in Thönys Begräbnisszene auftritt. Und nicht nur dort. Man hat ihh eindeutig als Todessymbol festzulegen versucht. Aber spricht nicht dagegen gerade Thönys Eigenart, nichts Endgültiges zu sagen, sondern nur impressionistisch zu vermit teln? Könnte Thöny damit nicht einfach eine Leitfigur meinen, der die Vergänglichkeit irdischer Erscheinungen nicht fremd ist?

Viele Details in den Bildern und Zeichnungen Thönys sind noch zu überlegen und zu deuten. Manche Werke wären erst exakt zu datieren. Daß aber Thönys hinreißendes, wenn auch an Umfang so klein gewordenes Oeuvre zu den imponierendsten Leistungen des 20. Jahrhunderts zählt, beweist neuerlich diese Ausstellung.

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