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Im Bann der Metropolen

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Graz feiert Wilhelm Thöny (1888 bis 1949), einen der eigenwilligsten österreichischen Künstler des frühen 20. Jahrhunderts, mit einer Gedenkausstellung im Künstlerhaus und im Kulturhaus. Albertina, die Grazer Neue Galerie, zahlreiche private Leihgeber stellten Werke Thönys zur Verfügung, die man so zahlreich und nach stilistischen Zusammenhängen geordnet schon lange nicht mehr sahen konnte. Freilich, gerade diese Ausstellung macht auch bewußt, welche Schätze — fast 1000 Bilder und Zeichnungen! — 1948 beim Brand des New Yorker Brown-Lagerhauses vernichtet wurden: Ein Schlag, den Thöny nicht überlebte, glaubte er doch sein Lebenswerk zerstört... Am 1. Mai 1949, also vor 25 Jahren, erlag er einem Gehirnschlag.

International war Thönys Leben stets gewesen: Ab 1908 studierte der gebürtige Grazer dank großzügiger Unterstützung der Eltern in München, wurde 1913 Mitglied der Münchner Sezession. 1923 gründete er die Grazer Secession, arbeitete an den Zeitschriften „Jugend“ (München) und „Querschnitt“ (Berlin) mit. 1931 übersiedelte er nach Paris, blieb dort bis 1938. Die Seine-metropole, die Cöte d'Azur, die Provence, Reisen nach New York, wo er ab 1938 lebt, das sind die Stationen seines Lebens. An Staatspreisen, Titeln, Weltausstellungsmedaillen, Verträgen mit prominenten amerikanischen Galerien (Knoedler Galleries) hat es nie gemangelt.

Die „Metropolenrnonster“, Paris, New York, haben sein Schaffen bis zum letzten Pinselstrich beeinflußt: Ihre Lichter, ihre flimmernde Luft, die mondäne Welt der dreißiger Jahre, die Schönheit des Überdimensionalen ... Das sind für Thöny Sensationen. Wie seltsames Pflanzengeschlinge umranken einander Wolkenkratzer, Brücken, Alleen; Straßenzüge scheinen oft vom wässerigen Pinsel halb weggewaschen, weggespült ... Priester, Kerzenlicht, Gardisten in leuchtendem Rot in der berühmten „Messe von Notre-Dame“ (vor 1935) verrinnen zu einer Farbimpression ... Thöny ist ein Meister farbiger Klänge, abgestufter Zwischenwerte, der tausend Nuancen, die er mit seinem „ordnenden Malerverstand“ und mit viel Raffinement setzt, dn Beziehungen zueinander bringt. „Malerische Dokumente einer großen, einer romantischen Liebe“ hat man oft zum Beispiel die Paris-Aquarelle genannt... Zu Recht: denn thematisch und mit ihren Farbreizen erfaßt ihn die Stadt völlig. Und selbst die Rötelskizzen, wie dem „Französiche-Revo-lution“-Zyklus, spürt man dieses „Erfassen mit dem Herzen“. Daß die Kunstwelt übrigens die erlesene Qualität und die historische Bedeutung seiner Werke bereits damals zu würdigen verstand, beweist zum Beispiel die berühmte Ausstellung 1937 im Pariser „Jeu de paume“, für die er die goldene Weltausstellungsmedaille erhielt.

Von Graz aus wandert diese hervorragende Thöny-Dökumentation übrigens nach Triest. Um so bedauerlicher, daß Wien sich diese Chance entgehen läßt, das Werk Wilhelm Thönys zu zeigen.

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