6611172-1954_52_11.jpg
Digital In Arbeit

In den Himmel gezeichnet

Werbung
Werbung
Werbung

Wilhelm Thöny hat seine Bilder in den Himmel gezeichnet. Der Grund, auf dem sie ruhen, ist die iuft. Manchmal ist Nebel da, durch den verborgen und entfernt ein Grün oder Rot schimmert. Aber oft ist die Luft klar und der Himmel hat keine Wolken. Die Wolkenkratzer New Yorks, die beinahe Schon durchsichtig geworden sind, steigen leicht und gelöst in die Höhe, als wären sie Drachen oder Luftballons. die, kleine Kinder unten, am Grunde- der Straßenschächte, noch festhalten an einem dünnen Faden. Was auf der Welt Gewicht hat, wird leicht und heiter und wie eine Seifenblase zum buntschillernden Spielzeug.

Der Steirer Wilhelm Thöny (1888—1949), Gründer der Grazer Sezession, hat nicht immer so gemalt. Anfangs, in seinen Studienjahren — die er u. a. auch in München verbrachte — und in seiner ersten großen Schaffensperiode in Graz (1923—1931) hat er sich nicht vom Boden der Erde gelöst. Seine Oel- gemälde sind traumschwer und erdnah. Und doch entstammt dieser Zei, schon sein Beethoven-Zyklus in Rötel, der bereits seine Vorliebe für Auflockerung und Leichtmachen aller Formen zeigt. Deutlicher ist dies noch an seinem zweiten, weitaus bedeutenderen Rötelzyklus zu erkennen, an den Illustrationen zu Thomas Carlyles „The French Revolution“, die der folgenden Periode entstammen (1931—1938), in der Thöny in Paris lebte. Hier stellte Thöny dem Schrecken, der Brunst und Leidenschaft der Revolutionszeit die zarten Striche seiner Zeichnungen entgegen, und durch sie überwindet er sie, denn der sanfte Hauch, der zu verwehen scheint, ist unvergänglicher als der heiße. Atem des Furchtbaren. — Blaß und zugleich froh wirken die Aquarelle dieser Zeit: „Messe in Notre-Dame“ und „Blick gegen das Pantheon“. Groß in der Kunst des Aussparens und im Wissen, was alles weggelassen werden, muß, damit etwas sichtbar wird, sind die Oelbilder, die damals entstanden: „Hafen von Marseille“ und „Ile de lä Cite, Paris". — Bis zu seinem Tode lebte Wilhelm Thöny in New York, lind erst diese letzte Schaffensperiode bringt die Vollendung. Zeichnen und Malen werden für ihn nun eins, und seine Oelskizzen und Aquarelle scheinen, wenn man das sagen darf, mit dem Pinsel gezeichnet. Der Nebel, die Luft über dem Wasser können nicht so trübe sein, daß Thöny sie nicht durchdringt und löst. Da, wo die Welt am flüchtigsten ist, entstehen Bilder, die bleiben. Gerade die kleinen Formate und die flüchtigen Skizzen mit wenig Farbe enthalten sein wesentlichstes Werk. Es wird schwerelos, es wird zur Vision. Und dann kommt das große Feuer: 1948 verbrennt im Depot von Browns Warenhaus in New York über die Hälfte seines Werkes. Schon der Bombenkrieg in Europa hatte sehr viele Bilder vernichtet. Nun gehen an die tausend Werke verloren. Thöny hat sich von diesem Schlag, dem schwersten, der einen Maler treffen kann, nicht mehr erholt. Was aber von ihm gehlieben ist, das wird weiter bleiben, denn es hat nicht nur Atmosphäre und Duft, sondern es hat auch das milde Licht eines weiten Himmels für sich,

Die Gedächtnisausstellung für Wilhelm Thöny ist in drei Räumen der Oesterreichischen Galerie im Oberen Belvedere untergebracht. Sie ist liebevoll und sorgfältig zusammengcstellt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung