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Gedächtnisausstellung Wilhelm Thöny in Graz

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Keinem anderen seiner Söhne hätte Graz mit mehr Recht eine so reiche und sorgfältig aufgebaute Gedächtnisschau in seiner führenden Kunststätte, dem Joanneum, widmen können (zusammen mit der Galerie Welz-Salzburg) als Wilhelm Thöny, der, 1888 geboren, nach einem Kampf zwischen musikalischer und malerischer Neigung sich endlich in München ganz der Bildkunst verschrieb, um dann in Frankreich und Amerika als einer der ersten Maler jener Länder sein Werk zu schaffen, bis ihn 1948 der furchtbare Schicksalsschlag traf, daß durch einen Brand in Browns Ware-house in New York Hunderte seiner Werke, darunter einige seiner besten, vernichtet wurden. Und dies, nachdem auch dem Krieg in Europa so manches Bild zum Opfer gefallen warl 1949 ist er 62jährig gestorben.

Dennoch — wüßten wir auch nichts von dem untergegangenen Werk — das bestehende gälte uns als eines der vornehmsten und stärksten, das wir von einem heutigen Künstler besitzen. Eine gutgetroffene Auswahl zeigt das Ringen des Meisters aus rein gegenständlicher zu einer ihm eigeneren Form, die am eindrucksvollsten aus seinen Städtebildern spricht: Paris und New York, seine großen Erlebnisse. Da ist alles vibrierend, unsicher, von grellen Farben durchflackert, Tausende von Fenstern, wirkliches Bild der Großstadt — Spiegel ihres Lebens. Aber kein glatter Spiegel in ellipsenem Rehmen, sondern Wasserspiegel, schimmernd, tiefgründig. Da ist das Zittern, das Banken, das Abgehetztsein der Millionen in den

Stldten, das Hasten und Lachen, das um seinen Sinn nicht mehr weiß und doch von unheimlicher Größe ist. Aus Thönys Städtebildern spricht es uns an: daß aller Stolz unserer Zeit, Bauten, Wolkenkratzer, Maschinen kein Festes, Dauerndes ist, sondern nur ein aufzuckendes, ergreifendes, fesselndes Lichtbild aus der laterna magica des größeren Schöpfers. Neben der starken Wirkung dieser Bilder treten seine großen figuralen Gemälde etwas zurück, die, aus der Grazer Zeit stammend, in Farbe, Gestaltung und Inhalt Dämonisches heraufbeschwörten, während die Erlebnisse der großen Städte seine Werke erhellen. Dabei darf man allerdings nicht einige kleine Meisterwerke in öl- vergessen, von denen das .Konzert' in seiner bannenden

FarbatmosphSre besonders hervorgehoben werden soll. Sein anderes Reich aber ist das der Zeichnung und Radierung, das auch In seiner Buchillustration von eigenartigem Zauber ist. Seine Vorliebe für Balzac und Dostojewskij bezeichnet zugleich sein künstlerisches Wesen, das aus Schatten und Ahnungsvollem langsam, aber zuletzt mit um so erschreckenderer Klarheit den Menschen hervortreten läßt: nicht in naturalistischer Kopie, sondern in Umrissen und Flächen. Alles Unwesentliche verliert sich, der menschliche Körper wird Darsteller seiner Seele. Jenseits aller Richtungen und Kreise steht das Werk Thönys, aber mitten in unser aller Leben, dessen Ungewißheit — und Schönheit es schauen läßt.

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