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Grazer Ausstellungen

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Nemo propheta… So ist es leider auch Tatsache, daß Österreichs bedeutendster Graphiker, der Grazer Müllerssohn Franz Hofer, in seiner Heimatstadt! fast ein Unbekannter ist, während man selbst in Amerika die Größe seines Werkes längst erkannt hat. Vielleicht wäre Hofer Künder und erster Erfüller einer neuen monumentalen Kunst geworden, wäre er nicht 1915 bei Gorlice, neunundzwanzig jährig, gefallen.

Die derzeitige Ausstellung in der Grazer Neuen Galerie zeigt anschaulich den inneren Werdegang des Künstlers. In Wien, wohin er 1909 ging, suchte er vor allem die Elendsviertel des Stadtrandes auf, in einer Sandgrube beobachtete er die Menschen und arbeitete unermüdlich, bis er, .erhaben über jede technische Schwierigkeit, nur mehr dem seelischen Inhalt seines Werkes dienen konnte. Schon hier bewies er sein Mitgefühl, aus den Blicken und Gestalten der Verkommensten sieht uns noch soviel Liebenswertes an, daß wir mit ihm an das Gute im Menschen glauben. Der Zeit seines Aufenthalts in der Slowakei entstammen markante Bauernzeichnungen. Aber schon wuchs aus dem Umkreis von Arbeitern und Bauern immer mächtiger in ihm die Gestalt des Menschensohnes auf, als einer unter ihnen. Mit unendlichem Fleiß — zu jedem seiner Werke ist eine Unzahl von Skizzen vorhanden — arbeitjt er an dem Antlitz des Erlösers, das zum erschütternden Mittelpunkt seines Monumentalwerkes „Kreuzabnahme” wurde, dessen Lidit-Schatten- Wirkungen nur mit Rembrandt verglichen werden können. Bauern und Arbeiter standen ihm hiezu Modell, ebenso wie zu seinem letzten großen Werk, den „Jüngern von Emmaus”, dessen Hintergrund die Sandgrube ist. Niemals stilisierend, immer aus dem Natürlichen schaffend, fand Hofer zu seiner Erfüllung im Metaphysischen. Aquarellentwürfe beweisen, daß der Graphiker auf dem Wege war, auch erneuernder Maler zu werden, als ihn der Krieg seiner Arbeit entriß, und es mutet wie ein letzter Ruf an die Überlebenden an, wenn er 1914 in einem dieser Entwürfe den Krieg in seinem letzten grauenvollen Unsinn darstellt: ein fahnenüberflatterter Siegeswagen, der einen Besiegten nachschleift, während seine Rosse selbst schon über den Abgrund springen, um Wagen und Sieger hinabzureißen …

Der Grazer Künstlerbund dient keinem modischen Ismus, um, wie dies leider sonst oft der Fall ist, über der Absicht die Güte des Werkes zu vergessen. Seine Ausstellungen erstreben Harmonie und ergeben bei aller Verschiedenheit der Einzelwerke einen Zusammenklang. Aus diesen Grundsätzen heraus ist auch die erste Kollektivausstellung 1948 gestaltet. Zwei verschiedene Welten — und doch im Nebeneinander zusammenfindend — sind die Werke Paula Malys und Prof. Leo Scheus. M a 1 y s Bilder sind Farbenharmonien im Sinne von Gobelins. Ihr Inhalt ist vollkommen gleichgültig. Nur auf das Zusammen piel der Farben kommt es ihr an, ob sie nun Frauengruppen, Landschaften oder Stilleben malt. Dabei schafft sie nur aus dem Gedächtnis, nie nach der Natur. Ganz andew Prof. Leo Scheu. Auch er fühlt nur in Farben. Aber ihm geht es um das Motorische von Farbe und Licht. Sein Porträt sind von fast unheimlicher Ähnlichkeit, denn außer der getreuesten Nachbildung der äußeren Züge verleiht er seinen Bildnissen ein inneres Leben, das jeden Betrachter zutiefst und unmittelbar anspricht. Allem Posenhaften, allem Gewollten geht er aus dem Wege, um den.

Menschen rücksichtslos so wiederzugeben, wie er in unbedachten Augenblicken vor sich selber ist. Dabei sind ihm die Hände noch wichtiger als das Gesicht, denn ihren Ausdruck vermag selbst der raffinierteste Komödiant nicht zu verändern. Ein großes technisches Können beweist der Aquarellist Prof. Franz Trenk mit seinen rasch entstandenen Landschaften, wirkungsvollen Farbeindrücken. Besonders gelingen ihm graue Schneelandschaften und Bilder technischer Schönheiten, Fabriken und Hafenanlagcn. Der einsam gewordene, taube AlfonsWerner, der . mit einigen bildgewordenen Visionen in der Ausstellung vertreten ist, erscheint dem äußeren Leben um sich her fremd. Seine Phantasien und Träume sind aber doch nicht weltfern, wenn sie auch romantisch und mystisch in ihrer Art sind. Grauenerregend ist das Gesicht des Verräters in seiner Graphik „Erkundung”, und von erschütternder Wirkung sind die Gesichter der Frauen im Luftschutzkeller in seiner Zeichnung „Kampfflugzeuge im Anflug”, aber fern jeder bewußten Aktualität. — Architektonische Entwürfe von Prof. Ludwig Lepuschitz sowie Gebrauchsgraphiken von Erika P o c h- 1 a t k o und Keramiken von Vilma Nieder- mayer-Schalk ergänzen die Harmonie dieser sorgfältig gewählten ersten Kollektivausstellung, der bald weitere folgen werden.

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