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Wilhelm Thöny in München

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Im Kunstverein München (Galeriestraße) wird gegenwärtig eine große Ausstellung des 1949 in New York gestorbenen österreichischen Malers Wilhelm Thöny gezeigt. Man kann die lebensvolle Kunst Wilhelm Thönys von keiner Seite her festlegen, empfand und formte er doch alles aus einem sehr individuellen Lebensgefühl. Wir dürfen ihn weder als typisch österreichisch bezeichnen, noch einer dominierenden Kunstrichtung einfügen, noch läßt er sich, obgleich man seine Zeichnungen bald in die Nähe Munchs, bald in die Nachbarschaft von Kubin setzen wollte, einem bestimmten Meister zuordnen, der ihn geprägt hätte. Auch mit den üblichen Abstufungen der Generationenfolge kommt man dem 1888 geborenen Thöny nicht bei. Man muß ihn als einmaliges Phänomen hinnehmen, das mit improvisatorischer Leichtigkeit die seltsamsten Gegensätze in sich verschmolz und zwischen Traum und ausgesprochenem Wirklichkeitssinn geisterte.

In seinen Zeichnungen wirkt er als spezifischer Graphiker, in den Malereien aber meistens als ein Mann der Farbe. Gewisse Zyklen, wie die von Beethoven, Napoleon, Jeanne d’Arc und Kolumbus, umkreisen in seltsam verfremdender Weise (er liebt die anonym wirkende Rückenfigur) bestimmte literarische Gehalte, anderseits kann er sich immer wieder in einen beliebigen Landschaftsausschnitt verlieren. Bald entwickelt er ein ironisches, dabei aber strömendes Pathos, bald wieder ein schlichtes Naturgefühl. Wenn er in gewissen Zeichnungen den Bleistift äußerst gleichmäßig kreisen läßt, so scheint er in anderen das spezifisch Graphische mit breiten, flüchtig lavierenden Tuschflecken zu kontrastieren.

In einigen Arbeiten läßt er einen abgründigen Humor anklingen, in anderen aber eine pessimistische Dämonie im Sinn . des fin de siėcle. Bald flutet seine Farbe breit dahin, bald erscheint sie frühlinghaft flüsternd oder locker hüpfend.

Mit größter Selbstverständlichkeit verband er Züge des 19. und 20. Jahrhunderts, impressionistische Leichtigkeit mit expressiven Ballungen. Ohne jede Doktrin schwebte seine Kunst zwischen allen Möglichkeiten seiner Zeit. Niemals wollte er aber der gegenständlichen Welt untreu werden, wobei er von einem bestimmten inneren Bild des Menschen und der Landschaft ausging, das er bald in Oel oder Aquarell, mit Tinte oder Blei, als Radierung oder Litho verwirklichte.

Dabei gingen seine Fähigkeiten über die bildende Kunst hinaus. Er hatte das Zeug zu einem spannen-

den Erzähler, äußerte sich aber auch im literarischen Essay, in dem er Graz, München, Paris und New York munter skizzierte Er verfügte über einen gewissen Humor, konnte aber auch tiefe Melancholie ausstrahlen. Schauspielerisch vermochte er sich auszudrücken, war zugleich ein guter Pianist und sang so vollendet, daß ihm die Münchner Oper einen Kontrakt anbot.

Auch sein Leben verlief bewegt. Er kam aus einergebildeten Steiermärker Familie. Wenn er Musik, besonders aber Beethoven hörte, geriet er schon als Kind in eine Art Trance. Später machte er Beethoven zum Helden einer Zeichnungsfolge. Die malerische Ausbildung holte er sich draußen, in München, wo er mit Franz Marc und Albert Weisgerber die neue Sezession gründete. Jeweils etwa ein Jahrzehnt lebte er darnach in Graz, in Paris und in New York.

Die Ausstellung erweist, daß sich seine improvisatorische Eigenart bis zuletzt ohne jede Ermattung erhalten hatte.

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