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Rudolf Jettmar

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Am 21. April 1949 jährt sich ZUm zehnten Male der Todestag einer der eigenartigsten Künstlerpersönlichkeiten Österreichs, Rudolf Jettmars.

Er trat als Maler und Graphiker seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Erscheinung. Nach jahrelangem hartem Ringen im Kampf um seine Existenz, sowohl als Künstler als auch materiell — denn Konzessionen an den Zeitgeschmack kannte er nicht — eröffnete ihm plötzlich die Berufung als Professor an die Akademie dėr bildenden Künste in Wien die Möglichkeit zu freiem Arbeiten.

Der Kern seiner Leistung liegt in seinem graphischen Werk. Das findet auch darin seinen Ausdruck, daß er die Meisterschule als Nachfolgers Ungers (des Lehrers) und Schmutzers (des Studienkollegen) erhielt. Seine Schöpfungen sind dadurch geprägt, daß er in manchmal erschreckendem Maße das besaß, was den meisten seiner Zeitgenossen als Gipfel des Erstrebenswerten erschien: künstlerische Persönlichkeit. Seine Phantasie verlangte oft in geradetu bedrängender Weise nach Gestaltung, ohne jede Rücksicht auf etwaige Beschauer. So steht seine Art zu schaffen der des Musikers nahe. Sein Wesen war eben zutiefst musikalisch, und — was ihn noch näher kennzeichnet — sein Instrument war die Geige. Allem, was zu sehr Lied und menschliche Stimme ist, stand er fremd gegenüber. Die einzige Verkleidung, die ihn je traf, war als böhmischer Geiger. Mit der Geige sich sein Brot verdienend, ist er über deh Gotthard nach Italien gezogen.

Hinter ihm steht die Landschaft Nordböhmens, in der er seine Kindheit verbrachte. Alle seine Landschaften stammen aus ihrer Schwere, sind aus Urgestein. Dieser Klotz im Inneren Europas spricht aus ihm wie aus den Bauten des Prager Barocks. Niemals reizte ihn die Formenwelt der Alpen zur Gestaltung. Immer gibt er ein Massiv, zerissen von abgründigen Schluchten.

Er liebte die Birken nicht, sie waren ihm zu sehr Pflanze und zu wenig Baum. Denn im Baum begegnet die organische Natur der anorganischen, dem Fels. Er wollte die Eiche, den dramatischen Baum, oder den dunklen, geschlossenen Hochwald.

Wenn eine solche Welt nach Verkörperung drängt, dann kann sie sie in der Bibel finden oder in Gestalten, des griechischen Mythos. Und auch hier sind es nur die, die am schwersten an ihrem Schicksal tragen: die großen Empörer vör Gott, die Verdammten, die Einsamen. Es ist fast ein Schauspiel, wie sich die Gestalten Kains und Prometheus’ durch sein Lebenswerk ziehen und am Ende fast miteinander verschmelzen.

Aber als Mensch, der Sich Selbst ins Gleichnis fassen kann, blieb er einfach, demütig vor Gott und vor seinem Werk, Wie ein Symbol dessen ist ės, daß der Todkranke, dem schon die Finger versagen, nur noch Johann Sebastian Bach klar und fehlerfrei zu spielen vermag.

Es ist kaum noch eine Auseinandersetzung mit diesem Werk erfolgt, aber das Werk steht, selbst ein Felsblock in den Wirbeln der Zeit.

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