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Künstler der fröhlichen Kirche

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Barocke Oper beim Wiener Altstadtfest „Spectaculum“ in der Jesuitenkirche. Albert Paris Güterlohs „Sakrale Bilder“ gleich gegenüber, in der Aula der Alten Universität, der heutigen Akademie der Wissenschaften. Und auch hier, in diesen Ölbildern, Aquarellen, Zeichnungen, in Vollendetem und skizzenhaft Angedeutetem, werden barocke Theaterwelt und barocker Gestus spürbar, ohne die so mancher Große der österreichischen Kunst in seinem Schaffen kaum denkbar wäre.

Milena von Dedovich, die bis zuletzt Güterslohs geistige und künstlerische Weggefahrtin war, der seine große Liebe gehörte, die ihm als Modell für so viele seiner Frauengestalten diente, die seine kluge Kritikerin und fürsorgende Freundin war, zeigt Arbeiten aus vorwiegend eigenem Besitz. Eine doppelt interessante, authentische Schau also: Weil da viel Unbekanntes aus Güterslohs Nachlaß zu sehen ißt, das in die vielfaltigen, sich im Werk Güterslohs schneidenden Traditionen einen Blick gewährt; und weil diese Werke auch in einem so zutiefst persönlichen Zusammenhang zu sehen sind.

Malen und Dichten - das war für Albert Paris Gütersloh eins. „Wenn er den Pinsel weglegte, begann er sofort zu schreiben“, berichtet Milena, während sie die Blätter überschaut und in Gedanken ihr zu jedem Detail Erinnerungen kommen: Sinnlich-ekstatische Zeichnungen zu Kain und Abel, die 1924 entstanden (da wird ein barocker theatralischer Gestus besonders stark spürbar), die Reining-hausmadonna von 1913, die zierlichen Jesusbilder, Miniaturen von fast mystischer Versponnenheit, Hinterglasarbeiten, daneben die klar-linigen Glasfensterentwürfe für die Kirchen von Sandleiten und Mauer, mit denen Gütersloh einen Weg vom Nazarenischen zur Moderne der dreißiger Jahre zurücklegte. „Sakrale Arbeiten“, die über alle Zeiten hinweg in seinem Schaffen immer wieder auftreten, obwohl man eigentlich im allgemeinen das Sakrale mit seinem Schaffen nur am Rande in Beziehung zu bringen geneigt ist. Ein ganzer Bogen, in dem sich Güterslohs religiöses Empfinden spiegelt.

„Sakrale Kunst hat ihn immer wieder beschäftigt. Er war ein tief religiöser Mensch“, meint Milena. „Auch wenn er mit der Kirche wie auch mit sich selbst viel gekämpft hat. Denn er wollte die Kirche stets als eine fröhliche barocke Kirche sehen. Bis zuletzt hat er immer wieder den Gedanken gehegt, ins Kloster zu gehen, weil er dort die stärkste Konzentration als Möglichkeit sah!“

Milena, die Offizierstochter, lernte Gütersloh mit 18 Jahren kennen. Josef Hoff mann, der große Anreger, der sich in den schwierigen Jahren während und nach dem Ersten Weltkrieg auch der mittellosen „höheren Töchter“ annahm und sie in der Wiener Werkstätte kunstgewerblich arbeiten ließ, hatte sie gerade aufgenommen. Dagobert Peche, der geniale Dekorateur, hatte von ihr ein bezauberndes Porträt gemalt. In der „WW“ lernte sie, schulte sie ihren Geschmack und ihr Urteil.

Gütersloh konnte sich auf dieses Urteil ein Leben lang wie sonst bei wenigen Menschen verlassen. Und Milena vermochte auch entscheidenden Einfluß auszuüben. Etwa wenn sie ihn nach Baden holte, wo sie ihm ein Atelier gebaut hatte, mit einer hohen französischen Tür, die ihm den Blick hinaus in die Landschaft gewährte. „Die Staffelei stellte ich ihm so hin, daß er nur zu beginnen brauchte, und die Leinwand drauf', erinnert sich Milena. „Er wollte zuerst gar nicht bleiben, weil er fürchtete, in Wien Freunde und Kontakte zu verlieren. Aber dann begann er zu arbeiten und er ist vier Jahre geblieben. Wichtiges ist hier entstanden.“

Daß er am Leben in Wien hing, ist verständlich. Zu allen Zeiten war er irgendwie Mittelpunkt. In der Jugend, als er seine ersten aufsehenerregenden Uterarischen Arbeiten vorlegte, später im „Strohkoffer“, im Art-Club, wo sich die Jugend traf und er für Künstler wie Ernst Fuchs, Wolfgang Hutter, Rudolf Hausner und Anton Lehmden zum geistigen Vater und Anreger ihres phantastischen Realismus wurde. „Er war immer bereit, mit allen ihre Probleme zu bereden, draufloszuphilosophie-ren. Solang kaum Geld da war, war auch das Verständnis aller füreinander vorhanden. Man hat einander zwar auch Kritisches gesagt, aber es war von Verstehen geprägt. Was man heute leider nur noch selten feststellen kann!“

Milena im Leben Güterslohs: Im ganzen Werk des Malerdichters, der mit Romanen wie der „Tanzenden Törin“ oder „Sonne und Mond“ der

österreichischen Literatur eine ganz eigene Farbe hinzugefügt hat, ist alles voll von Anspielungen auf diese Frau. „Er hat mich besser geschildert, als ich mich denken kann“, sagt sie heute. Lächelt ihr feines Lächeln. „Halt so, wie er mich brauchte. Einmal hatte ich ein hübsches Hütchen mit einem reizenden Köfferchen. Er sah nichts, wie ich glaubte. Sagte nichts. Aber in einem Roman fand ich dann eine unglaublich detaillierte Schilderung. Er hat offenbar alles gleich so in seinem Kopf und in seine künstlerischen Konzepte eingeordnet, wie er es sah. Und ich erinnere mich sehr genau, wie unruhig er war, wenn er irgend etwas sah, das er festhalten, malen, zeichnen oder niederschreiben wollte ... Wie er da zum Donnerstag-Kegelabend in der Se-cession nicht mitgekommen ist oder nur ein paar Minuten blieb und auch Josef Hoffmann und Peche ihn nicht überreden konnten, weil es ihm leid war um die vergeudete Zeit.“

Milena von Dedovichs Persönlichkeit ist vom Werk Güterslohs und seinem künstlerischen Wollen kaum zu trennen. „Ich habe mir zwar nie irgendeinen Einfluß auf sein Werk eingebildet. Aber als ich in seinem Tagebuch nachlesen konnte, das er bis zuletzt geführt hat - über sein künstlerisches und unser gemeinsames Leben -, habe ich erfahren, daß ich ihm im Grunde sein Tagebuch vorgelebt habe. Im Künstlerischen und im Menschlichen.“

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