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Kunstwerke auf Reisen

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Welchen Stellenwert hat Österreichs Kulturpolitik im Ausland? Welche .Mittel sollte Österreich dafür einsetzen, was darf es auf Reisen schicken und was nicht? Diese Fragen, die auch bei der Planung jeder Wanderausstellung auftauchen, sorgten bei der Pressekonferenz zur Europalia 1987 für Turbulenzen.

„Der Schwerpunkt des großen Kulturfestivals der Europäischen

Gemeinschaft in Belgien, an dem Österreich als erstes nicht der EG angehörendes Land teilnimmt“, verkündete Wissenschaftsminister Heinz Fischer, „wird auf der Präsentation der bedeutendsten Stücke aus dem Schatz des Ordens vom Goldenen Vlies im Palais der Schönen Künste in Brüssel liegen.“

Kraft einer politischen Entscheidung, so wurde mitgeteilt, sollen in Brüssel vom 16. September bis 16. Dezember 1987 nicht nur das mit Perlen, Rubinen und Saphiren besetzte Schwurkreuz aus Gold und die Wappenkette des

Herold die gemeinsame Geschichte von Österreich und Belgien bezeugen. Auch der mit Gold- und Silberfäden, Edelsteinen, Perlen und Glassteinen bestickte Meßornat wird in der belgischen Hauptstadt ausgestellt. Diese künstlerisch, historisch und religionsgeschichtlich einmalige Schöpfung besteht aus Antependien (Stoff-teüen) zum Schmuck des Altares, der Casula (Kasel) und den beiden Dalmatiken (Obergewän-dern) für die Zelebranten sowie aus drei Pluvialen (Mänteln) und weist unter anderem in plastisch wirkender Nadelmalerei Darstellungen von Christus als Weltenherrscher, Maria und Johannes dem Täufer auf.

Laut Minister Fischer liege die Einwilligung des Ordens für die nach wie vor in dessen Besitz befindlichen Stücke vor. Dazu gehören das Schwurkreuz und die Wappenkette, die der österreichische Zweig der noch heute höchst lebendigen Ordensgemeinschaft der Schatzkammer als Leihgabe überantwortet hat.

Gegen die Entlehnung des aus dem 15. Jahrhundert stammenden Meßomates, der bei der Spaltung des Ordens nach dem Spanischen Erbfolgekrieg dem österreichischen Habsburger Karl VI. zugefallen und seit 1797 in der Schatzkammer deponiert ist — jetzt also dem Kunsthistorischen Museum gehört — erhob noch während der Pressekonferenz der Konservator der Schatzkammer energisch Einspruch.

Er könne, erklärte der Museumsbeamte, aus konservatorischen Gründen einer Entnahme des höchst fragilen alten Stückes aus den schützenden Vitrinen nicht zustimmen. Das Risiko irreparabler Schäden stehe in keinem Verhältnis zu der Chance, das einmalige Stück den Millionen Besuchern zu präsentieren; abgesehen von der Tatsache, daß die Schatzkammer erst wenige Monate vor der Europalia 1987 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. In Zeiten des Massentourismus kann Wien auf den Schatz nicht verzichten.

Die meisten Museumsverantwortlichen stehen daher auf dem Standpunkt (den ich teile): Kulturelle Präsenz im Ausland ist wichtig, sie darf aber nicht auf Kosten der Präsentation im eigenen Land gehen. Muß mit Gefahren für ein Kunstwerk gerechnet werden, ist auf die Entsendung zu verzichten.

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