Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Lauter Freunde
Was die Österreicher in diesen Wochen am meisten quält, wird sicher die Frage sein, wie es denn ihren lieben Nachbarn in Bayern jetzt ergehen mag. Was soll aus ihnen werden ohne Franz Josef Strauß? Wie kann das belebende Reizklima der letzten Jahre erhalten bleiben?
Wie immer kann ich Euch erst einmal beruhigen. Wir Bayern haben uns im Kern seit gut 1500 Jahren am gleichen Platz gehalten. Wir halten uns noch eine Weile.
Aber die Liebe zu Österreich bleibt in Bayern auch unter einem neuen Ministerpräsidenten und einem neuen CSU-Vorsitzenden weiterhin garantiert. Wenn auch vielleicht nicht mehr so heftig und so einseitig.
Unser neuer Ministerpräsident ist ein liberaler katholischer Oberammergauer und somit ein echter Alpenländler. Als Finanzminister hat Max Streibl erst vor einigen Jahren offiziell Wien besucht — als Franz Vranitzky auch noch Finanzminister war — und in Neustift einen riesigen Heurigen geschmissen. Damit hat er seine wichtigste ^außenpolitische Erfahrung gewonnen.
Der Mann läßt Euch künftig bestimmt wieder ganz normal einreisen, selbst wenn ein Österreicher mit der Gartenschere seinen bayerischen Verwandten in Wackersdorf beim Sträu-cherschneiden helfen will.
Da Max Streibl wenig Ambitionen für die Weltpolitik hat, sondern wie früher Alfons Goppel mit dem riesigen Vielvölkerstaat der 11$ Millionen Bayern sein politisches Auslangen findet, wird er sicher auch mehr Interesse für die alpenländische Nachbarschaft haben. Womöglich hilft er sogar mit, die ARGE-Alp wieder von einem Beamten-Reiseunternehmen zu einer politischen Einrichtung zu machen.
Theo Waigel dürfte als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn kaum einen großen Bekanntheits-grad in Österreich haben. Er ist ein liberaler Katholik aus dem bayerischen Schwaben und hat sich seit fast zwanzig Jahren bei Journalisten als Widerstandskämpfer dargestellt. Aber Strauß hat es zum Glück nicht gemerkt. Bis auf ein einziges Mal.
Vor zwei Jahren war Theo Waigel nämlich auf dem Weg zu den Salzburger Festspielen, und sein großer Vorsitzender hat es erfahren. Strauß versuchte ihn noch über das Autotelefon zurückzupfeifen, aber Theo Waigel ist nicht mehr umgekehrt.
Das erzähle ich Euch nur vertraulich und es muß auch bis 19. November unter uns bleiben. Wenn nämlich herauskommt, daß er ein grenzüberschreitender Rebell war, wird der Theo am 19. November womöglich nicht gewählt. Nur wegen einer verhängnisvollen Neigung zu Österreich!
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!