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Ökumene der Psychiater

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Anfang August fand in Wien der alle drei Jahre an anderen Orten abgehaltene 15. Kongreß für Individualpsychologie statt; zum drittenmal seit 1922 in der Stadt, in der die Tiefenpsychologie wie deren Spaltung ihren Ausgang genommen hat. 500 Experten ganz verschiedener Richtungen kamen hier zu über 200 Vorträgen und Diskussionen zum Thema „Begegnung der Individualpsychologie mit anderen Therapieformen" zusammen.

Dies war sehr angebracht angesichts der weltweiten inflationistischen Zersplitterung in immer neue Behandlungsmethoden. Gerade mit ihrem Akzent auf den Gemeinschafts- gegenüber den Machtbestrebungen des Menschen ist die von Alfred Adler begründete Individualpsychologie für die Initiative einer ersten Öffnung zu anderen Therapievarianten besonders prädestiniert.

Dieser aktuelle „Wiener Kongreß" könnte zum Signal der fälligen Trendwende werden und beginnen, wie eine Art Pfingstwun-der, die bisherige babylonische Sprach- und Methodenverwirrung rückgängig zu machen:-Tat-sächlich geht diese bereits so weit,

daß die Therapeuten verschiedener Richtungen einander kaum mehr verstehen und auch nur wenig Bedürfnis oder Talent mehr haben, überhaupt miteinander zu sprechen.

Das mag sich nun alles ändern, nachdem hier in einmaliger Weise ein Anfang gemacht wurde, wozu Univ.-Prof. Hans Strotzka den Adlerianern für ihren Mut und ihre Offenheit nur gratulieren konnte. In seinem Statement im abschließenden Forumgespräch wertete Strotzka, der selbst mit der Gründung eines Dachverbandes aller Schulen zur Zeit gleiche Ziele verfolgt, diese Psychotherapiekonferenz als ersten Versuch einer großen Schule, sich selbst international im Vergleich zu anderen darzustellen und beispielhaft zu reflektieren.

Damit sei man endlich ins Gespräch und einer Patienten-zen-trierten Therapie nähergekommen. Er hoffe, daß andere Richtungen folgen werden und durch das vielfältige Behandlungsangebot nun verfeinerte Indikationen gestellt werden könnten, welche Methode sich bei welcher Art von Störung oder Patient am besten eigne.

Der nunmehrige Präsident der Internationalen Vereinigung, Univ.-Prof. Walter Spiel, erwartet für die Zukunft auch keine Amal-gamierung der Heilmethoden oder Einheitstherapie, sondern die Weiterentwicklung jeder einzelnen Schule, jedoch ein besseres Verstehen der anderen, deren Sprache nunmehr leichter in die eigene Terminologie übersetzt werden könne.

Der ebenfalls anwesende Sohn des Gründers Alfred Adler, Kurt Adler, drückte noch die Freude aus, die sein Vater anläßlich dieser Konferenz empfunden hätte, die weitverstreute und versprengte Schüler und Abtrünnige (wie Prof. Frankl etwa) wieder vereinte. Er habe es immer für seine Aufgabe gehalten, auch von Leuten zu lernen, mit denen er nicht übereinstimmte, und vor allem, sie zusammenzubringen, und das sei hier gelungen.

Auf dem. nächsten Kongreß in Montreal wird man sich 1985 wiedersehen — inzwischen bleibt nach wie vor die Chance für jeden, auf seine eigene Fasson geheilt oder zumindest glücklicher zu werden.

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