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Rangeln um einen Plattenlivemitschnitt

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Sie ist ein Glanz- und Zugstück der Wiener Staatsoper, diese „Frau ohne Schatten” unter Dr. Karl Böhm. Und gerade die Sonntag- Aufführung hat diesen Richard- Strauss-Festtagen nach dem hübschen, aber leichtgewichtigen „Capriccio” erst ihr volles Gewicht gegeben. Doch leider, der geplante Livemitschnitt dieser glanzvollen Aufführung für die Schallplatte steht in Frage.

Ein Scheitern dieses Projektes wäre vor allem für die Wiener Staatsoper, für die gerade eine solche Aufnahme als Prestigefaktor von eminenter Bedeutung wäre, ein großer Schaden. Man erinnere sich nur der Bedeutung der „Met”-Mit- schnitte! Was sich aber rund um den „Frau-ohne-Schatten”-Mitschnitt abgespielt hat, ist geradezu grotesk. Ein Tauziehen, ein Handeln, Feilschen und Gerangel, daß dem Laien der Mund vor Staunen offenblieb.

Denn da sollte nicht etwa der Staat Geld iuschießen oder irgendeine Plattenfirma Millionenbeträge hinblättem. Keineswegs. Da kam eine amerikanische Millionärin, Cynthia Wood, die Wien und die Staatsoper schätzt, die Musik liebt, mit Reisebürountemehmen ihr Geld macht und damit, in der besten Tradition des amerikanischen Mäzenatentums, notleidenden Opernhäusern wie dem von San Francisco hilfreich unter die Arme greift. Sie kam und wollte rund 2,8 Millionen Schilling hinlegen, damit diese legendäre „Frau ohne Schatten” unter Böhm in ihrer Wiener Originalatmosphäre erhalten bleibe.

Was daraufhin passierte, findet sie „unglaublich und grotesk”. Da wurde also mit Betriebsräten - 21 sind für die Staatsoper zuständig - verhandelt. Da wollte zwar die Plattenfirma Polydor International (Deutsche Grammophon) den Mitschnitt natürlich haben; aber etwa

210.000 Schilling dazuzulegen, schien offenbar zuviel. Da stand aber auch die Plattenfirma Decca im Hintergrund: Sie soll - wie man hört - das Projekt nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen haben, denn der Livemitschnitt käme natürlich mit den Wiener Philharmonikern (als Staatsopemorchester) auf den Markt. Und gerade Decca will dem Vernehmen nach eine neue „Frau ohne Schatten” mit den Phil- harmonikem unter Georg Solti herausbringen.

Und da kamen die Philharmoniker selbst, die schlicht und einfach drei Prozent Verkaufsbeteiligung einforderten, wenn sie, statt als Staatsopemorchester, als Markenware „Wiener Philharmoniker” aufspielen sollten.

Frau Wood traute ihren Augen und Ohren nicht mehr; eine Äußerung, „daß jetzt der amerikanische Kapitalismxis in Wien einbricht”, brachte sie aus der Fassung.

Immerhin ist jetzt etwas gelungen: Wenigstens aufgezeichnet wurde die so sensationell bejubelte Aufführung. Im Archiv, auf Band, gibt es sie also. Nur der Streit, wer sie verwerten darf, ist noch lange nicht entschieden.

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