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Schlüsse aus dem Noricum-Urteil

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Die Freisprüche der drei angeklagten ehemaligen Regierungsmitglieder Sinowatz, Gratz und Blecha in der Hauptsache haben ein Verfahren beendet, dessen Sinnhaftigkeit nicht nur von politischen Freunden und ExPolitikern bezweifelt wurde. Wäre das Verfahren, das nun mit Freisprüchen endete, rechtzeitig niedergeschlagen und von der Tagesordnung abgesetzt worden, wäre allen Beteiligten viel erspart geblieben und das jetzt vorliegende Ergebnis der Rehabilitierung schon früher eingetreten.

Doch eine solche autoritative Lösung hätte immerhin den Beigeschmack einer Sonderhilfe für bedrängte Politiker gehabt und so hat es denn auch sein Gutes gehabt, daß der Prozeß stattfand und es die Geschworenen waren, die zu dem die Angeklagten entlastenden Resultat gelangten.

Die Geschworenen haben Amtsmißbrauch und Neutralitätsgefährdung nicht für gegeben erachtet und jenen bösen •Vorsatz ausgeschlossen, der für die Erfüllung des Tatbestandes und damit für die Verurteilung notwendig gewesen wäre.

Das heißt freilich nicht, daß die Angeklagten auch vom moralischen Vorwurf des fahrlässigen Umgangs mit ihnen bekannt gewordenen Informationen freizusprechen sind und Politiker durch dieses Urteil künftig einen Freibrief für ähnliche Sorglosigkeiten ausgestellt erhielten.

Im Gegenteil: eine diesbezügliche Gewissenserforschung müßte zu dem Schluß kommen, daß in ähnlichen Fällen in Zukunft von den Verantwortlichen anders und sorgfältiger vorgegangen werden muß.

Vor allem ist in Zukunft zu vermeiden, Gesetze zu schaffen oder in Kraft zu belassen, die die politisch Verantwortlichen überfordern und in ein Dilemma stürzen.

Bestehen aber vernünftige Gesetze, haben sich die Politiker auch im unbequemen Einzelfall daran zu halten und haben nicht das Recht, aus Staats- oder Parteiräson, aber auch nicht aus ehrenwerten Motiven, wie der Arbeitsplatzsicherung, von der Einhaltung des Gesetzes abzusehen und Standards der Doppelmoral einreißen zu lassen.

Die nun freigesprochenen Politiker, die durch problematische Gesetze und eine ihrer Partei verpflichtete Mentalität .überhaupt erst in die mißliche Lage gekommen sind, vor Gericht erscheinen und sich dort verantworten zu müssen, können sich über die ihnen zuteil gewordene Genugtuung freuen. Alle ihre Kollegen und Nachfolger aber werden gut daran tun, sich gar nicht erst in das Zwielicht des großzügigen Umgangs mit dem Gesetz, das den Verdacht der Anklage heraufbeschworen hat, zu begeben und so jeder strafrechtlichen Belangung von vornherein den Boden zu entziehen.

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