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Echo auf ein Gutachten

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Prof. Stephan Verostas Gutachten über die „Dauernde Neutralität“, das dem dritten österreichischen Juristentag Vorgelegen ist, hat eine überraschende politische Ressonanz gefunden. Inzwischen ist einige Zeit vergangen, so daß man nun in Ruhe darüber einige Überlegungen anstellen kann. Welcher Art war diese Resonanz? Zwei sehr instruktive Beispiele seien herausgegriffen.

• Vizekanzler Bock hat sich anläßlich einer parlamentarischen Anfrage von seiten der FPÖ von Verosta distanziert, indem er feststellte, daß er Verostas Ansichten nicht teile. Bedauerlicherweise hat es Bock unterlassen, seine Stellungnahme zu präzisieren und zu begründen.

• Der politische Kommentator der „Kronen-Zeitung“, Alexander Vodo- pivec, warf in dieser Zeitung vom 11. Juni 1967 Verosta vor, seine Ansichten könnten nur als die Theorie für einen Neutralismus finnischer oder Moskauer Prägung aufgefaßt werden; sein Vortrag würde sich ausgezeichnet als Habilitationsarbeit für einen Lehrauftrag an der Moskauer Lomonossow-Universität eignen. Vodopivec versuchte seine Vorwürfe zu begründen. Es kann aber nicht überraschen, daß seine Argumentation nicht überzeugend ist, vielmehr am Wesentlichen vorbeigeht.

Bevor wir uns mit Inhalt und Tragweite dieser Auffassungen beschäftigen, ist einmal festzu stellen,

was Verosta wirklich gesagt hat. Sein Gutachten liegt ja gedruckt vor (und wurde in der „Furche“ vom 26. August 1967 rezensiert).

Was hat Verosta gesagt?

Verosta macht zwei besonders interessante Aussagen unter dem Gesichtspunkt der politischen Aktualität betrachtet.

1. „Quasi-Neutralität." Verosta versteht darunter einen völkerrechtlichen Sonderstatus, „der viele Elemente der dauernden Neutralität (Unabhängigkeit und territoriale Integrität, fast vollständige Freiheit von Bündnissen und anderem) aufweist, aber nicht alle.“

Dieser Begriff der Quasi-Neutralität ist auf den Artikel 88 des Vertrags von St. Germain sehr gut anwendbar. Dieser Artikel enthält nämlich entgegen einer weit verbreiteten Auflassung nicht bloß ein „Anschlußverbot“ (gegenüber Deutschland). Österreich ist zu einer qualifizierten Unabhängigkeit nach allen Seiten verpflichtet; überdies wird die Unabhängigkeit grundsätzlich als unabänderlich bezeichnet („es sei denn, daß der Völkerbundrat zustimmt“). Insofern ist der Artikel 88 des Vertrags von St Germain der völkerrechtlichen Verpflichtung Österreichs zur dauernden Neutralität (und dadurch impliziert Unabhängigkeit) viel näher als dem Artikel 4 des Vertrags von Belvedere (Anschlußverbot ausschließlich gegenüber Deutschland).

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