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Ein tschechischer Husak?

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„Vorsitzender des Zentralkomitees der KPCS für die Parteiarbeit in den tschechischen Ländern“ — das ist der offizielle Titel, ““den seit einiger Zeit li&bamto- .. • Strougal führt. Strougals Aufstieg ist zwar rasch, aber keineswegs so kometenhaft erfolgt, wie der Dubceks, wobei sich Strougal auch keineswegs so auf die reine Parteiarbeit konzentrierte, wie der Erste Sekretär der KPCS. Etwa im selben Alter wie Dubcek, begann Strougal als Parteifunktionär in Südböhmen. Seit 1955 war er Sekretär, seit 1957 leitender Sekretär des Kreisausschusses Budweis der KPCS. Dann macht Strougal den Sprung in die Parteispitze, wird am 5. März 1959 Mitglied des Sekretariats des ZK der KPCS (Duibcek wird im Juli 1960 Sekretär im ZK!), macht aber gleichzeitig einen „Seitensprung“ in den staatlichen Bereich. Zwischen 6. März 1959 und 23. Juni 1961 ist er Minister für Land-und Forstwirtschaft und wird im September auch Mitglied der staatlichen Planungskommission, in der so prominente und unterschiedliche Wirtschaftspolitiker wie Cernik, Indra, Sik, Erban, und Hamouz aufscheinen. Am 10. Juni 1960 wird Strougal auch für vier Jahre Abgeordneter des Prager Parlaments als Vertreter des Wahlkreises Strako-nitz, damit liegen bereits drei wichtige Funktionen gleichzeitig in seiner Hand: Mitglied des Sekretariats des ZK der KPCS als wichtigste Funktion, Volksvertreter als Parlamentsabgeordneter und Landwirtschaftsminister als die nach außenhin angesehenste Funktion. Prominente Parteifunktionäre aber wechseln oft von einem ins andere Ministerium, so auch Strougal. Nach etwas mehr als zweijähriger Tätigkeit im Landwirtschaftsministerium unter dem Regierungschef Siroky wird Strougal am 23. Juni 1961 Innenminister und verbleibt auf diesem Posten auch nachdem Josef Lenärt die Regierung übernimmt, umbildet und verjüngt. Er verbleibt bis zum 26. April 1965. Nunmehr konzentriert sich Lubo-mir Strougal wieder ausschließlich auf die Parteiarbeit, ähnlich wie vor ihm Dubcek und Husak — ganz im Sinn der neuen, seit Jänner 1968 eingeführten Methoden, Ämterkumulierungen zu vermeiden nd voiy-aMem-Partei- voautaatsfunktißjjen. .zu... trennen. Zwischendurch wird er 1968 nochmals stellvertretender Regierungschef — gemeinsam mit Husak. Als Mitglied des Sekretariates, als Sekretär und schließlich als Vorsitzender des Zentralkomitees der KPCS für die Parteiarbeit in den tschechischen Ländern steht Strougal heute nicht nur in der Dreierspitze der Partei (Dubcek, Strougal, Husak); der föderalistische Ausbau auch der Parteihierarchie wird sehr bald aufzeigen, ob die beiden KP-Führer in Prag und Preßburg, Strougal und Husak, nicht bedeutungsvoller sind als der Sekretär der Gegenpartei — die vielleicht gar keine Gesamtpartei mehr ist — als' Dubcek.

In dieser starken Ausgangsposition hat Strougal eben Worte gefunden, die im In- und Ausland lebhaftes, wenn auch sehr unterschiedliches Echo auslösten. Er verwies auf die Gespaltenheit der KPCS und ihren schwachen Einfluß auf die Massenmedien, was die Moskauer Blätter prompt ausführlich zitierten ... Ein Leserbrief im Prager „Reporter“ charakterisiert auf der anderen Seite die Stimmung in der Tschechoslowakei gegenüber Strougals Fernsehrede. „Er (Strougal) kritisiert die nach dem Jänner 1968 gebildete Führung der Partei und des Staates, er kritisiert also jene Zeit, da er selbst stellvertretender Ministerpräsident und Vorsitzender des Volkswirtschaftsrates war. Was hat er damals konkret unternommen? Ich weiß es nicht, aber würde er darüber einige Worte sagen, dann würde ich vielleicht den Menschen Strougal erkennen, vielleicht würde ich mit ihm zu sympathisieren beginnen oder vielleicht würde ich mit ihm streiten.“

Zu der schrittweise, aber immer deutlicher sichtbar werdenden Verwirrung der Bevölkerung über die Haltung ihrer Politiker wird Strougal ähnlich wie sein slowakischer Kollege Husak manches beitragen.

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