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Lächeln um 1000 Milliarden

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Als einen Tropfen auf einen heißen Stein bezeichnet man auf dem römischen Capitol, dem Sitz der Stadtverwaltung der „Ewigen Stadt”, die jährlichen 10 Mrd. Lire, die als Anleihe zur Schuldendeckung aufgenommen werden. Was seit Jahren bekannt ist, hat seit Jahren auch in Rom zu keiner Lösung geführt, denn keine Stadt Europas ist so verschuldet wie Rom. Selbst Neapel, das vor wenigen Monaten mit Staatshilfe entschuldet wurde, kann hier nicht Schritt halten.

Ang-esichts der Tatsache, daß man sich in deutschen Großstädten wegen einer Überschuldung der Gemeinden Sorgen macht, lächelt man in Rom nur, und nichts kann dem römischen Defizit Einhalt gebieten. Seit Jahren wächst das Defizit kontinuierlich, derzeit um rund 100 Mrd. Lire pro Jahr. Auf die Frage, was man zu tun gedenke, weiß man in Rom derzeit nur eine Antwort: Wir hoffen, daß der Staat Finanzierungsaufgaben der Stadt Rom übernimmt und ebenfalls eine Entschuldungsaktion wie in Neapel durchführt. Zum gleichen Zeitpunkt ist man sich aber in of®, ziellen Kreisen in Rom klar darüber, daß die Schulden trotz solcher Ent- schuldungsaktionen schon in wenigen Jahren wieder auf dem alten, derzeitigen Höhepunkt sein werden, da piro Monat allein für die Zinsenzahlungen, die aus den hohen Schulden entstehen, 40% des Defizitzuwachses aufgewendet werden.

Roms Bürgermeister, der Demo- cristiani-Mann Santini, weiß aus diesem Dilemma nur wenige Auswege, so meint er,

• man müsse in Rom und Umgebung endlich mehr Industrie ansiedeln;

• die 20 Milliarden Lire, die jährlich für Schulden aufgewendet werden müßten, solle der Staat übernehmen;

• im großzügigen Ausbau des Straßennetzes wäre eine Staatsbeteiligung ebenso wünschenswert, und

• schließlich sollte auch der Staat den Bau der Untergrundbahn aus der gesamtitalienischen Kasse finanzieren.

Denn Rom hat als Hauptstadt und als heilige Stadt Nachteile zu tragen, wie siie in keinem anderen italienischen Ort üblich sind. So muß Rom auf eine „Tassa di sogiomo” — der österreichischen Kur- oder Ortstaxe vergleichbar — verzichten und außerdem 30 bis 40 Mrd. Lire pro Jahr für public relations und Repräsentation ausgeben, obwohl diese Spesen zum Großteil für Staatsbesuche und Visiten des italienischen Staates bestimmt sind. Dazu — wirft man in Rom der Regie rung vor — trage aber der Staat nur 10 Mrd. Lire, bisher sogar nur 5 Mrd. Lire bei.

Die aufwendigste Stadtkasse Europas bzw. die mit dem größten Defizit hat nunmehr dazu geführt, daß man in Rom zum Beispiel den Wohnungsbau zur Gänze eingestellt hat. „Wir haben genug Wohnungen”, meint man auf dem Capitol gleichzeitig, muß aber zugeben, daß die Wohnungen in Rom nach wie vor sehr teuer sind und einem Industrieaufbau preislich daher geradezu feindlich entgegen stehen.

Obwohl der enorme Abgang im römischen Budget eigentlich dazu führen sollte, daß man intensivere Einsparungsmaßnahmen setzt, beschäftigt man sich noch immer, in der Hoffnung auf Staatssubventio- nen, mit Roms Zukunft. So ist der Metropoliitano-Ausbau nunmehr trotz größerer Pannen bei der Planung relativ weit fortgeschritten, so daß zwischen 1970 und 1972 Rom über ein eigenes U-Bahn-Netz verfügen wird. Auch mit der Raumplanung für ein Groß-Rom beschäftigt man sich in der Ewigen Stadt intensiv, denn in einem 10-Jahres-Plan soll Rom auf eine 4-Millionen-Stadt gebracht wenden. Woher man das Geld nehmen wird, ist noch nicht ganz klar. Daß die Erweiterung Roms aber nach Süden und Osten tendiert, herrscht in capitoli- ndschen Gefilden bereits Einstimmigkeit.

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