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Das kleine Bezirksgericht

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Schon wiederholt ist im Rahmen der Diskussionen iiher die Probleme der Verwaltungsreform auch der Bereich der Justiz mit dem Rechenstift betrachtet worden.

Derzeit bestehen im ganzen Bundesgebiet mehr als 200 Bezirksgerichte gegenüber rund 90 Bezirksverwaltungsbehörden.

Eine umfassende Betrachtung der Probleme, vor die sich die reformfreudige Justizverwaltung bei der Bewältigung ihrer Absichten gestellt sah, erforderte auch eine nähere Erörterung der bestehenden Rechtslage. Nach Artikel 83 der österreichischen Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte durch Bundesgesetz festge- stellt. Es bedarf also eines Aktes der Gesetzgebung, wenn ein neues Gerächt errichtet,, ein bestehendes aufgelassen oder eine Materie der gerichtlichen Zuständigkeit unterworfen oder entzogen werden soll. Der Grund für diese verfassungsmäßige Regelung liegt darin, daß die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit jedweden Manipulationen der Verwaltung entzogen sein soll. Der Artikel 83 BVG wird jedoch ergänzt durch die Bestimmung des Paragraph 8 Absatz 5 des Verfas- sungsübergangsgesetzes 1920, wonach Änderungen in den Sprengeln der Bezirksgerichte durch Verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung der Landesregierung zu erfolgen haben.

Vor einiger Zeit wurde nun vom derzeitigen Justizminister neuerlich der Versuch unternommen, die Zahl der österreichischen Bezirksgerichte geringfügig zu reduzieren. Im Entwurf eines ersten Gerichtsreorgani- sątionsgesetzes wurden vorerst 36 Bezirksgerichte aus allen Bundesländern (mit Ausnahme von Burgenland und Wien) zur Auflassung vorgeschlagen. Gleichzeitig bemühte sich die Justizverwaltung bei den jeweiligen Landesregierungen um die Zustimmung zu einer zu erlassenden Verordnung der Bundesregierung, womit die entsprechenden Gebietsteile den Sprengeln anderer Bezirksgerichte zugewiesen werden sollten. Die Landesregierungen jedoch waren den Reformbestrebungen der Justiz nicht oder kaum zugänglich.

In dieser Situation glaubte der Bun- desminister für Justiz einen Ausweg aus dem bestehenden rechtlichen Dilemma darin zu sehen, den Verfassungsgerichtshof vorsorglich im Rahmen eines Kompetenzfeststellungsantrages zu befassen. Im Frühjahr 1969 beschloß daher die Bundesregierung einen entsprechenden Antrag. Es sollte geklärt werden, ob zur völligen Auflassung von Bezirksgerichten ein Bundesgesetz allein ausreiche, wie man dies allenfalls aus dem Artikel 83 der Verfassung ableiten könnte, ob andernfalls ein Gesetz und eine Verordnung der Bundesregierung (mit Zustimmung der betreffenden Landesregierung) erforderlich sei oder ob schließlich mit einer Verordnung der Bundesregierung allein eine solche Maßnahme getroffen werden könne.

Dieser Tage wurde nun die schriftliche Ausfertigung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vom 20. Juni 1969 veröffentlicht. Darin zeigt sich, daß die Rechnung nicht aufgegangen ist und die Erwartungen der Justizreformer vom Verfassungsgerichtshof enttäuscht wurden. Dieser hat nämlich ausgesprochen, daß die Errichtung, Auflassung oder Zusammenlegung von Bezirksgerichten nui durch Verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung der Landesregierung erfolgen könne. Das für die Justizverwaltung ungünstigste Ergebnis des Kompetenzfeststellungsantrages ist damit eingetroffen.

Es bedeutet für die Praxis, daß kein einziges Bezirksgericht in ganz Österreich ohne ausdrückliche Zustimmung des betreffenden Bundeslandes beseitigt werden kann. Im Hinblick auf die schon bisher fast ausschließlich ablehnende Haltung der Bundesländer ist wohl in absehbarer Zeit mit einer Änderung ihrer Haltung nicht zu rechnen.

Mitbürger freuet euch, das kleine Bezirksgericht bleibt euch erhalten!

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