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Partei verbot für Richter?

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Die Oeffentlichkeit hat sich in der letzten Zeit wiederholt mit Ereignissen der österreichischen Gerichtsbarkeit und der Justiz befaßt und dabei mit Nachdruck die Forderung nach Entpolitisierung der Justiz erhoben. In der Hauptsache wurde verlangt, die Rechtsprechung von jedweder parteipolitischen Einflußnahme freizuhalten. In dieser Debatte sind auch Auffassungen vertreten worden, die in Anbetracht der Wichtigkeit der Probleme einer Klarstellung bedürfen.

Eine Unterscheidung ist vor allem notwendig: zwischen der Justiz (der Organisation und Tätigkeit des Gerichtsapparates) und der Justizverwaltung, die von dem Justizministerium unter der verantwortlichen Leitung des Bundesministers für Justiz ausgeübt wird. Dabei können wir beruhigt feststellen: Die österreichische Justiz ist in ihrer Funktion unpolitisch und übt ihre Tätigkeit auf Grund der bestehenden Gesetze unter Ausschaltung jeder von außen kommenden Einflußnahme aus. In der naturgemäß gegebenen Wechselwirkung zwischen Justizverwaltung und Justiz gibt es allerdings Bereiche, die der Justizverwaltung eine gewisse Einwirkung auf die Handhabung der Rechtspflege ermöglichen. So die Ausübung des Aufsichtsrechtes, das Weisungsrecht an die Anklagebehörden (Staatsanwaltschaften) hinsichtlich Erhebung oder Zurücklegung einer Anklage, das richterliche Ernennungsrecht und dergleichen. Diese Einflußnahme der Justizverwaltung kann möglicherweise dann zu Konflikten führen, wenn das Amt des Justizministers mit einer parteipolitisch ausgerichteten Persönlichkeit besetzt ist. , Ueberlegungen dieser Art haben auch vor einiger Zeit dazu geführt, daß ein von einer Partei delegierter politischer Mandatar von seiner Funktion als Justizminister zurückgezogen wurde.

In diesem Widerstreit der Meinungen verdient besonders die Stellungnahme der österreichischen Richterschaft Gehör zu finden. Im Rahmen der richterlichen Standesorganisation ist in der letzen Zeit der Entwurf eines neuen R,ichterdienstgesetzes ausgearbeitet worden, der in einer Hauptausschußsitzung der österreichischen Richtervereinigung einmütige Zustimmung gefunden hat. Dieser Gesetzesentwurf enthält neben allgemeinen dienstrechtlichen Bestimmungen zwei grundsätzliche Forderungen.

Die erste begehrt die besoldungsrechtliche Besserstellung und Heraushebung des Richterstandes. Eine Forderung, die bei der gegenwärtigen Besoldung wohl nur zu berechtigt ist. Auch der österreichische Richter hat gleich den übrigen geistigen Arbeitergruppen in Oesterreich eine nicht mehr tragbare Unterbewertung erfahren, die die richterliche Unabhängigkeit ernsthaft bedroht. So ist es daher zu begrüßen, daß der Finanzminister die Eritnivellierung der Bezüge der öffentlich Bediensteten festlegt und dabei insbesondere eine entsprechende Aenderung der geltenden Steuerprogression angekündigt hat. (Die bis-, her unter größten Mühen und Anstrengungen erreichte Besoldungsverbesserung war durch die Auswirkung der geltenden Steuerprogression nahezu völlig gegenstandslos gemacht worden.)

Die zweite Hauptforderung des neuen Richterdienstgesetzes will die Freiheit und Unabhängigkeit des R'cbtersnndes von allen parteipolitischen Einflüssen sicherstellen. So soll vor allem die Ernennung des Richters und sein berufliches Fortkommen aus dem bisherigen Bereich der Justizverwaltung in die Zuständigkeit der richterlichen Selbstverwaltungskörper, der Personalsenate, übergehen. Auf die Notwendigkeit, den Einfluß der Justizverwaltung auf die Staatsanwaltschaften entsprechend abzugrenzen, wurde kürzlich in einem Aufsatz der „Furche“ bereits hingewiesen.

Ein weiteres Postulat des neuen Richterdienstgesetzentwurfes enthält das Verbot der Parteizugehörigkeit der Richter. In Oesterreich hat eine derartige Gesetzesbestimmung nur für die Angehörigen des aktiven Offizierskorps bis 1918 bestanden. Gegen diesen Vorschlag ist vereinzelt eingewendet worden, daß die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte (und dazu gehört wohl in einer parlamentarischen Demokratie auch das Recht des Staatsbürgers, einer politischen Partei beizutreten) inderVerfas-sung verankert sei. Trotzdem haben die Erfahrungen der letzten Zeit die Richterschaft in ihrer überwiegenden Mehrheit veranlaßt, diese Forderung nach Herausnahme des Richterstandes aus dem parteipolitischen Getriebe aufrechtzuerhalten.

Der Entwurf des neuen Richterdienstgesetzes ist von den richterlichen Standes-organisaionen durchberaten und zum verbindlichen Beschluß erhoben worden. Es wird nunmehr Aufgabe des neuen Parlaments sein, sich mit diesem Gesetzesentwurf zu befassen.

Die Forderungen der österreichischen Richterschaft nach einer entsprechenden Heraushebung und materiellen Besserstellung, nach Sicherung ihrer freien und unabhängigen Berufsausübung verlangt gesetzliche Erfüllung! Sie bekundet den unerschütterlichen Glauben der österreichischen Richter an ihre verantwortliche Sendung und entspricht einem berechtigten Verlangen der breiten Oeffentlichkeit, das einst ein Herrscher mit den Worten anerkannte: „Ich habe mich entschlossen, mich niemals mehr in die Rechtsprechung einzumischen. Vor den Gerichtshöfen sollen die Gesetze sprechen und der Souverän schweigen.“

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