Die Deutschen verfolgen derzeit mit Erstaunen die Veränderung von Bundeskanzlerin Merkel. "Was haben sie Merkel bloß in den Tee getan?" hat die Wochenzeitung Die Zeit gefragt. Und festgestellt, dass die Regierungschefin im Jahr zehn ihrer Kanzlerinnenschaft plötzlich Klartext redet. Oder besser gesagt: wieder. Denn ihren Aufstieg an die CDU-Spitze verdankt Merkel der Tatsache, dass sie es gewagt hatte, Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre offen zu kritisieren. Als deutsche Kanzlerin hingegen galt sie auch deshalb als erfolgreich, weil sie es vermied, sich politisch festzulegen und das Risiko des Scheiterns einzugehen. Beides tut sie nun. Sie hat die deutsche PEGIDA-Bewegung für ihre "Unversöhnlichkeit" und ihren "Hass" kritisiert. Und musste deshalb auch aus eigenen Reihen Kritik einstecken, weil diese Distanzierung vielen zu weit ging. Klar, schließlich laufen mit PEGIDA auch einige potenzielle Wählerinnen und Wähler davon. Merkel hat nicht den Versuch unternommen, diesen hinterher zu laufen. Wobei andere nun peinlich gescheitert sind. Die neue Kante der deutschen Kanzlerin hat auch der ungarische Regierungschef Orbán erlebt. In der Pressekonferenz mit Orbán erklärte sie, auch eine Regierung mit einer sehr breiten Mehrheit müsse die Rolle der Opposition, der Zivilgesellschaft, der Medien schätzen. Im öffentlich-rechtlichen ungarischen Fernsehen kam die Kanzlerin damit allerdings nicht vor. Gesendet wurde lediglich Orbán, der abermals die illiberale Demokratie verteidigte. Soweit zur Situation der ungarischen Medien. Jedenfalls trinkt Merkel besagten Tee nun öfter. Jüngstes Beispiel: Die deutsche Kanzlerin wagt sich an die schwierige Mission, Frieden in der Ukraine zu schaffen - ohne Waffen. Ein großes politisches Risiko, weil es viel zu gewinnen, aber auch zu verlieren gibt. Aber mutlose Politiker haben wir schon zu viele.
Die Autorin ist Korrespondentin der ARD in Wien
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