Revolution im Schatten des Goldenen Felsens

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Die Bürger Myanmars genießen immer mehr Freiheiten, währenddessen mehren sich die Angriffe auf die muslimische Minderheit. Das Land hofft auf Aung San Suu Kyi und die Wahlen 2015.

Die Straßen der Stadt Hpa An am Thanlwin-Fluss im Süden Burma sind nach Sonnenuntergang nur spärlich erleuchtet. Auch der Sportplatz der High School Nr. 1 ist dunkel, nur die Bühne erstrahlt in buntem Neonlicht. Es ist der Abend des vierten Jänner, Unabhängigkeitstag in Myanmar, wie Burma seit 1989 heißt. Kinder singen und tanzen Volkstänze, dann treten lokale Sängerinnen und Sänger auf, Reden werden gehalten. Am Rande des Platzes sitzen Frauen und kochen über mehreren offenen Feuern Nudel- und Fleischgerichte, die sie für ein paar Kyat verkaufen. Ein Ringelspiel und eine Springburg sind die Attraktionen des Abends. Ein jüngerer Mann spricht mich in überraschend gutem Englisch an. "In zwei Wochen kommt Aung San Suu Kyi zu uns“, freut er sich. Bei den Nachwahlen zum Parlament vor zwei Jahren am 1. 4. 2012 hatte die National League for Democracy einen überwältigenden Sieg errungen, 44 von 45 zu vergebenden Mandaten, und 2015 sind Parlamentswahlen, bei denen die NLD kandidieren darf und sich Erfolge erhofft.

Die Frisur der Aung San Suu Kyi

Bildern von Aung San Suu Kyi begegnet man überall in Burma - auf Bäumen, Mauern, in den Rezeptionen von Hotels und hinter den Theken der Kneipen. Meist zeigt das Bild auch ihren Vater, den General Aung San, Kommunist und Held des Unabhängigkeitskrieges, der 1947, ein Jahr vor der Unabhängigkeit von Großbritannien, ermordet wurde. Aung San Suu Kyi ist zudem zu einer Art Stilikone geworden - Frauen kopieren ihre Frisur und ihre stets untadelige traditionelle Kleidung. Viele hoffen, dass sie 2015 Präsidentin wird, Reformen bringt und der Korruption ein Ende setzt. Dass sie mit den immer noch mächtigen Militärs zusammenarbeitet, sehen die meisten ihrer Anhänger als ein notwendiges Übel. Sie hoffen auf die große Verfassungsreform, die das Parlament noch vor den nächsten Wahlen beschließen soll. Diese Reform könnte den Weg freimachen für die Präsidentschaft von Aung San Suu Kyi. Bislang ist der Nobelpreisträgerin die Kandidatur verboten, weil sie mit einem Briten verheiratet war und ihre Söhne britische Staatsbürger sind. Die Mehrheit im Parlament hat die von Ex-Militärs dominierte USDP von Präsident Thein Sein, und zudem sind 25 Prozent der Sitze für aktive Militärs reserviert. Auch wenn Parlamentspräsident Shwe Mann, der zweitmächtigste Mann im Staat, vor kurzem erklärte, er würde Aung San Suu Kyi unterstützen, so sind doch viele skeptisch.Solche Zweifel können mittlerweile auch medial geäußert werden, denn seit 2012 gibt es keine Zensur mehr für Medien. Ungefährlich ist die Arbeit für Journalisten dennoch nicht: erst vor wenigen Monaten erhielt eine Journalistin drei Monate Haft, weil sie eine Staatsanwältin zu kritisch befragt hatte.

Das Interesse an Information ist groß - überall sitzen Leute und lesen eine der unzähligen Zeitungen und Magazine, die auf kleinen Ständen verkauft werden. Fernsehen wiederum ist ein öffentlicher Event. Viele Teehäuser in Yangon oder Mandalay haben große LCD-Schirme, auf denen das staatliche Fernsehprogramm zu sehen ist.Unübersehbar ist die Präsenz des Buddhismus in Burma: die rund 500.000 Mönche gehen täglich zum rituellen Bettelgang auf die Straße, und auch den rund 80.000 Nonnen - sie tragen Roben in Rosa und Orange - ist es erlaubt, ungefähr zweimal die Woche betteln zu gehen. Die Mönche haben in Burma - anders als zum Beispiel in Sri Lanka - keine politische Macht und sie dürfen auch nicht wählen gehen. Für die Burmesen sind sie eine Art höhere Lebewesen, die zu unterstützen Heil bringt. Für U Myint, Taxifahrer in Bagan, bedeutet das: von 40 Dollar oder 40.000 Kyat, die Ausländer für einen Ausflug zahlen, gehen 37 Dollar an den Boss, von den verbleibenden 3000 Kyat bekommt "der Buddha“ - also die Mönche - 500 Kyat, die restlichen 2500 - das entspricht etwa drei Kilo Reis - bleiben für seine mehrköpfige Familie. Rund 80 Prozent der Burmesen leben von drei Dollar am Tag oder weniger. U Myint hat wenig Hoffnung, dass sich Aung San Suu Kyi gegen die Cronies durchsetzt, die den Wirtschaftsaufschwung okkupieren. "Burma ist reich, aber sie beuten unser Land aus“, sagt er und meint z. B. Joint Ventures von burmesischen Militärs und chinesischen Firmen.

Finanzexperten raten, nicht US-Bonds, sondern burmesische Immobilien zu kaufen. Die Preise in Yangon seien höher als in New York, heißt es. Für Häuser im Nobelviertel Golden Valley werden von ausländischen Firmen bis zu 20.000 US-Dollar Miete gezahlt, erzählt ein italienischer Ex-Pat, der selbst aus seiner 50 Quadratmeter-Wohnung ausziehen muss, weil die Miete innerhalb weniger Monate von 300 Dollar auf 1800 Dollar im Monat stieg. Überall in Burma werden Slumviertel niedergewalzt, um Land zu gewinnen. In Yangon allein wurden heuer bereits 5000 Familien vertrieben, weiteren 7000 sollen folgen. Ersatzwohnungen gibt es keine.

Das gute Englisch lernte Taxifahrer U Myint nicht in der Schule. Er hat es sich selbst mit Hilfe von Touristen beigebracht. Zwar ist die Grundschule gratis, doch nur 30 Prozent schließen sie ab, so ein UNESCO-Bericht. Burma war ein Land mit enorm hohem Bildungsstandard, doch in den vergangenen 60 Jahren wurde das Bildungssystem systematisch heruntergefahren und die Lehrinhalte wurden der Ideologie des Militärregimes angepasst. Das soll eine Kommission bis 2015 ändern, denn ohne Bildung keine Arbeitskräfte für die Industrie, die mit ausländischen Mega-Investitionen errichtet wird.

Klöster schulen Kinder kostenlos

Rund 70 Prozent der Bevölkerung Burmas leben am Land - und hier gibt es oft gar keine Schulen, schon gar nicht für die 135 verschiedenen ethnischen Minderheiten, die rund 30 Prozent der 54 Millionen Einwohner Burmas ausmachen, eigene Sprachen haben und oft Christen sind oder lokalen Religionen zugehören. Seit einiger Zeit bieten buddhistische Klöster Kindern von Minderheiten gratis Schulbildung. Die Voraussetzung: selbst die Kleinsten müssen als Mönchen oder Nonnen ordinieren und im Klosterinternat leben. Das gibt den Kindern zwar Bildung, doch zugleich werden sie in die burmesisch-buddhistische Mehrheitsgesellschaft eingemeindet.

Das ist durchaus politisch nützlich - denn in der "Republik der Union Myanmar“ brennen mehrere Langzeit-Konflikte zwischen ethnischen Rebellen und dem Militär. Im Norden sind im Kachin-Staat seit Mitte 2011 rund 100.000 Menschen wegen Konfrontationen zwischen Militär und Aufständischen geflüchtet. Im benachbarten Shan-Staat in der Grenzregion zu China gibt es mehrere bewaffnete Gruppen, die zum Teil auch in Drogenhandel verwickelt sind und militärisch erfolgreich gegen die Truppen der Regierung vorgehen. Im Karen-Staat im Süden Burmas herrscht zurzeit Waffenstillstand, auch wenn die Roadblocks gelegentlich noch bemannt sind. Daniel Hoi Kyin, anglikanischer Bischof und Angehöriger der mehrheitlich christlichen Karen, auf die Frage, ob der Waffenstillstand halten wird: "Man kann nicht jahrzehntelange Probleme einfach wegmachen, die Wurzeln sind viel zu tief“.

Muslime gelten als illegal

Rund drei Prozent der Burmesen sind Muslime - viele von ihnen Nachkommen von indischen Kulis, die die britischen Kolonialherren in Burma als billige Arbeitskräfte ansiedelten. Vor allem im Süden Burmas, aber auch in Yangon gehören Moscheen zum Stadtbild, ebenso im Rakhine-Staat an der Grenze zu Bangladesh, wo seit Generationen die muslimischen Rohingya leben. Seit 1982 gelten sie nicht als burmesische Staatsbürger, sondern als illegale Einwanderer aus Bangladesh. Im Sommer 2012 brach eine Welle blutiger Vorfälle aus: Muslime wurden vom Mob getötet, und die Polizei sah zu.

Der Mönch Wirasu erklärte, die Muslime würden die buddhistische Kultur Burmas bedrohen. Darüber scheint nun ein breiter Konsens zu herrschen. Aung San Suu Kyi schweigt zu den Vorfällen, und Präsident Thein Sein schlug Ende März ein Gesetz "zum Schutz von Rasse und Religion“ vor. Schlechte Aussichten also für Demokratie und Menschenrechte in Burma.

Ausbeutung des Landes

Rund 80 Prozent der Burmesen leben von drei Dollar oder weniger am Tag. Viele Familien werden vertrieben, Slumviertel niedergewalzt, um Land für ausländische Investoren zu gewinnen.

Bedrohte Demokratie

2012 wurden Muslime von einem Mob getötet, die Polizei sah zu. Die Bevölkerung fürchtet um die buddhistische Kultur. Auch die Regierungskritikerin Suu Kyi schweigt zu den Vorfällen.

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