Mensch und Christ im Gefecht

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Wie gelingt es, dass ein Soldat im Krieg nicht zur mitleidlosen Maschine wird? Schließen Soldaten- und Christenpflicht einander aus? Ein Symposion des Instituts für Religion und Frieden versuchte Antworten auf diese Fragen zu geben.

Verwundete und Tote liegen herum, schmerzverzerrte und leichenblasse Gesichter - aber nirgendwo Blut. Das riesige Gemälde zeigt die Schlacht von Aspern, 1809; das erste Bild, das die Gräuel des Krieges nicht leugnet, heißt es. Trotzdem zeigt das Bild immer noch eine geschönte Darstellung des Schreckens dieser Schlacht. Unter dem monumentalen Kunstwerk im Festsaal des Jakob-Kern-Hauses steht Norbert Sinn. "Wir Soldaten", referiert der Generalmajor, "können uns die Waffenwirkung im Ziel gut vorstellen." Anders als auf dem Gemälde ist sich Sinn der blutigen Folgen militärischen Handelns bewusst. Er beschönigt nicht und mahnt - gerade aus dem Wissen um die verheerende Wirkung - zur Besonnenheit in Armee und Politik.

"Seinen invaliden Soldaten"

Norbert Sinn ist Präsident der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Soldaten. Sein Referat über "das Selbstverständnis des christlichen Soldaten in einem vereinten Europa" hält er im Rahmen einer Enquete, zu der das Institut für Religion und Frieden eingeladen hat. Der Ort dieser letztwöchigen Veranstaltung ist gut gewählt: Das Jakob-Kern-Haus nahe der Wiener Maria-Theresien-Kaserne ist heute eine Bildungs- und Begegnungsstätte der katholischen Militärseelsorge. 1910 hat es Kaiser Franz Josef "seinen invaliden Soldaten" als Unterkunft gestiftet.

Bei der Enquete geht es nicht um körperliche Beschwerden, sondern um Gewissensfragen von christlichen Soldaten. "Wie gelingt es dem Soldaten, auch Mensch und Christ im Gefecht zu bleiben?" bringt Norbert Sinn die Gewissensfrage auf den Punkt.

Ein christlicher Soldat "kann, darf und will sich nicht allein auf Kriegsrecht und Genfer Konvention als Rechtfertigung berufen", sagt Sinn. Die Maxime: größtmögliche Humanität und Schonung des Gegners stehe über allen formalrechtlichen Vereinbarungen. Damit Soldaten diesen Anforderungen gerecht werden, "brauchen sie jedoch eine ethische Basis, um Gut und Böse unterscheiden zu können".

Hier ist die Militärseelsorge gefordert - und das nicht erst heute. Unter den kategorialen Seelsorgesparten ist die Militärseelsorge die älteste der Welt. Die kirchliche Betreuung von Soldaten geht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Mit der Internationalisierung der Aufgaben des österreichischen Bundesheers sind auch die Anforderungen an die Militärseelsorger gestiegen. Weiterbildungsangebote des Instituts für Religion und Frieden beim Militärbischofsamt helfen mit, neu aufgetretenen Unsicherheiten zu begegnen. Weltweite Einsätze verlangen aber auch nach einer Neuinterpretation des Selbstverständnisses von Soldaten im Sinn universaler Friedensbemühungen.

Der Soldat als Friedensschaffer und Friedenserhalter. Erst langsam setzt hierzulande ein gesellschaftlicher Umdenkprozess in diese Richtung ein. Soldaten würden von ihren Mitmenschen als "verdächtige Subjekte" angesehen, meint Norbert Sinn, sie seien zwar akzeptiert, aber nicht anerkannt. Das mag mit der weit verbreiteten "Wegschaumentalität" zu tun haben, als gäbe es Konflikte nicht, solange man nicht hinschaut. Als Soldat müsse man aber hinschauen, widerspricht Norbert Sinn dieser Einstellung, denn "positive Einmischung ist das Ziel von uns Soldaten".

Gefangene schonen

Gegen das "Ungeheuer in uns, das Soldaten zu mitleidlosen Maschinen macht", stellt Sinn die "militärische Kultur". Dazu gehören die Achtung der Würde des Gegners und die Postulate: keine sinnlose Zerstörung, keine Überreaktion und die Schonung von Gefangenen sowie Zivilbevölkerung.

Auf das traurige Faktum, wie schwer solche Prinzipien in die Kriegssrealität zu übertragen sind, verweist Tagungsleiter Werner Freistetter vom Institut für Religion und Frieden als Antwort auf Generalmajor Sinn. Gleichzeitig stellt er die Forderung auf: "Die Soldaten sind für unsere Gesellschaft zu wichtig, um sie sich selbst zu überlassen."

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