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Militär-Generalvikar Franz Fahrner und Militär-Superintendent Oskar Sakrausky zum notwendigen Wagnis, als Kirche beim Militär zu sein: Ansprechpartner und kritischer Kontrapunkt zugleich.

Was für einen Unterschied macht das Wort Militär- vor dem Wort Seelsorger?

Militär-Superintendent Oskar Sakrausky: Es ist eine ganz spezielle Situation, in die sich die Kirche da hineinwagt; es ist eine Situation, die herausfällt aus der normalen kirchlichen Arbeit, weil die Kirche ja ansonsten nur in den seltensten Fällen die Menschen an ihrem Arbeitsplatz begleitet. Das ist aber das Hauptcharakteristikum der Militärseelsorge, dass wir mit den Soldaten an ihrem Arbeitsplatz zusammenleben, im Inland und im Ausland.

Sie sagen, die Kirche wagt sich ins Militär. Was ist das Wagnis?

Militär-Generalvikar Franz Fahrner: Die Militärseelsorge ist eine Gratwanderung zwischen Kirche, Staat und Öffentlichkeit. In ihr wird die Sorge der Kirche um den Menschen in der Gesellschaft besonders deutlich. Dabei geht es nicht um eineenge Verbandelung, sondern um ein Aufeinander-Schauen und Zusammenwirken. Der Staat sieht, das Monopol der Gewaltanwendung bedarf ethischer und religiöser Normen. Auf der anderen Seite sieht die Kirche eine Chance im Bereich der kategorialen Seelsorge tätig zu werden und einen Auftrag, den sie im öffentlichen Bereich zu erfüllen hat. Wir haben von uns immer gesagt, wir sind die größte Jugendseelsorge in Österreich. Das werden wir in Zukunft vielleicht nicht mehr so sein, aber wir werden sicher eine der größten berufsspezifischen Seelsorgebereiche bleiben.

Geht es bei der Militärseelsorge mehr um Ethik oder Religion?

Fahrner: Um beides geht es: Wer bringt in unsere Gesellschaft ethische Grundnormen ein? Da haben natürlich die Kirchen traditionellerweise große Erfahrung. Verteidigungsminister Günther Platter hat versichert, dass bei der Heeresreform die Militärseelsorge von Kürzungen ausgenommen bleibt - weil ein vermehrter Bedarf da ist. Da geht es um ethische Grundlagen, und die nehmen wir aus unserer abendländischen Tradition auf christlicher Basis. Hier treffen wir Katholiken uns auch mit der evangelischen Militärseelsorge; wo wir uns unterscheiden, das ist der speziell kirchliche Bereich.

Kann man bei der

Militärseelsorge von gelebter Ökumene sprechen?

Sakrausky: Für die evangelische Militärseelsorge gilt: Wir haben nicht die Fragen im Kopf: Bist du evangelisch, bist du katholisch, glaubst du, glaubst du nicht? Für uns ist jeder Soldat, der kommt, ein Mensch, der die Nähe Gottes und den Zuspruch Gottes braucht. Und für die Soldaten ist das überhaupt kein Problem, ob das ein evangelischer oder katholischer Priester ist - sie freuen sich über das Gespräch, sie freuen sich über einen Gottesdienst. Sie freuen sich einfach darüber, dass sich jemand um sie kümmert. Und das ist etwas, was mich mit dem Herrn Generalvikar verbindet. Es geht uns darum, diese Menschen zu begleiten.

Fahrner: Absolute Zustimmung, wir achten die konfessionelle Gebundenheit, aber als Ansprechpartner sind wir für alle gleichermaßen da.

Was antworten Sie, wenn

eine Rekrutin, ein Rekrut mit der Frage zu Ihnen kommt, wie man als Christ zur

Waffe greifen kann?

Fahrner: Je haariger die Geschichte wird, je größer die Bedrohung ist, desto wichtiger ist die ethische Fundierung der betroffenen Person. Ein Zivildiener kommt nicht in die Gewissenskonflikte, in die ein Soldat kommen kann. Da braucht es eine tiefe ethische oder religiöse Fundierung. Ein Mitarbeiter hat einem früheren Verteidigungsminister einmal gesagt: : "Wissen Sie, warum ein gläubiger Soldat immer ein besserer Soldat ist? Weil er noch einen letzten Richter über sich hat." - Das bringt es auf den Punkt: Der gläubige Christ muss sich in seinem Handeln immer noch einmal in Frage stellen lassen. Der Christ muss sich nicht nur vor seinem Gewissen verantworten, das muss jeder Mensch, sondern auch noch vor dem lebendigen Gott, an den er glaubt.

Sakrausky: Wenn wir heute in unserer Umwelt ein anderes Bedrohungspotenzial verspüren würden, und auch unsere Jugend eine andere Bedrohung für sich und ihren Lebensbereich verspüren würde, dann wäre die Überlegung für den Dienst mit der Waffe von ihren Grundlagen her eine völlig andere.

Fahrner: Bislang war das weniger Thema, weil wir aufgrund unserer Verteidigungssituation in Österreich damit nicht konfrontiert waren. Für die Verteidigung eines Landes und seiner Menschen gibt es ja aus christlicher Sicht überhaupt keine Problematik. Jetzt aber, da wir im Konnex eines größeren Europas denken, wo wir vermehrt in internationale Einsätze gehen, wo der Präsenzdienst diskutiert wird und wir uns in Richtung einer verstärkten Komponente von Berufssoldaten hinbewegen, tritt die Frage nach der ethischen Fundierung in den Vordergrund.

Ist die Militärseelsorge auch ein Garant für die militärische Kultur, also dafür, im Gefecht

nicht zum Tier zu werden,

sondern immer noch Mensch zu bleiben?

Sakrausky: Wenn du den Frieden willst, dann bereite den Krieg vor, heißt der bekannte Spruch eines römischen Denkers. Wir sind heute der Meinung, und ich glaube, das ist auch gut christlich: Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor. Ich habe das in Afghanistan gesehen, in Syrien, im Kosovo: Das Image des österreichischen Soldaten ist ein ganz spezielles. Unsere Leute sind nicht die gewaltvoll auftretenden, waffenstrotzenden Soldaten. Unsere Leute schauen, dass sie eine positive zwischenmenschliche Atmosphäre schaffen; und das gelingt ihnen, wir leisten gute Arbeit. Wenn den österreichischen un-Soldaten Kinder und Erwachsene in Syrien gleichermaßen zuwinken, dann sage ich: Das ist Friedensarbeit.

Fahrner: Führenden Militärs war immer klar, dass es letztlich um die Person des Soldaten geht, dass unter jeder Uniform ein Mensch steckt. Das Gegenteil wäre eine zumSöldner verkommene Kampfmaschine. Wir kennen aber von Söldnertruppen, welche Traumatisierungen zum Vorschein kommen.Wir sind keine Söldner, wir sind Vertreter eines demokratischen Staates oder der internationalen Staatengemeinschaft, so wie es im Zweiten Vatikanischen Konzil heißt: "Der Soldat betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker." Das ist unser Modell.

Mit Militärseelsorge werden nach wie vor unrühmliche

Bilder aus der Geschichte, zum Beispiel das Segnen von

Kanonen, verbunden.

Fahrner: Da sage ich klipp und klar: Das ist eine uns immer wieder vorgeworfene Geschichte! Wir können aber heute nicht beurteilen, was genau geschehen ist; sicher ist, dass es bei Segnungen von Soldaten zuerst um den Menschen ging.Es wird vielleicht auch Entgleisungen gegeben haben, aber heute verstehen wir uns definitiv nicht als Legitimationsfaktor jeglicher Gewaltanwendung. Wir tragen eher ein kritisches Element in das "Wie" der militärischen Auftragserfüllung hinein. Es ist ein Zeichen der Kultur eines Heeres, wenn es ein solches Infragestellen zulässt.

Sakrausky: Da kommt eine wichtige Arbeit für unsere Soldaten zu tragen: Der Lebenskundeunterricht für Rekruten, Kaderfortbildungen, und miltärethische Seminare für die Kadersoldaten und im Rahmen der Offiziersausbildung in Form von militärethischen Tagen. Wir versuchen da, den Leuten ein fundiertes ethisches Gewissen zu vermitteln. Wir wollen keine Kampfmaschinen ausbilden, die kurzfristig Erfolge erzielen, indem sie zerstören, aber keinen Beitrag für den Frieden leisten.

Was ist der Unterschied

zwischen einem Militärseelsorger und einem

Armee-Psychologen?

Fahrner: Psychologen leisten im Heer ihren Beitrag zur Bearbeitung traumatischer Erlebnisse; der Psychologe gibt auch eine Beurteilung über die entsprechende Person ab, ob sie einsatzfähig ist oder nicht. Der Seelsorger genießt aufgrund seiner seelsorglichen Amtsverschwiegenheit eine Sonderstellung. Deswegen ist der Militärseelsorger im Bundesheer die einzige Ansprechperson, der man alles sagen kann. Und er bringt noch etwas darüber hinaus ein: Religion berücksichtigt einen Universalaspekt, der alle Lebensbereiche des Menschen umfasst. Angesichts von Schuld und Tod wird die Notwendigkeit einer religiösen Motivation des Weiterlebens besonders deutlich. Wir glauben an Vergebung der Schuld, an die Auferstehung der Toten, dass nicht alles Schicksal ist, sondern in einem größeren heilsgeschichtlichen Rahmen steht.

Sakrausky: Das macht den Menschen wertvoller, als er in der Psychologie jemals ist.

Und wie sieht ein

Miltärseelsorger den Feind?

Fahrner: Schon die Sonderstellung des Militärseelsorgers, wie sie in den Genfer Konventionen deutlich wird, zeigt, dass der Gegner immer Mensch bleibt; jeder Mensch hat daher einen Anspruch auf seelsorglichen Beistand.

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