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Verteidigung ist mehr als nur das Militär

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Zwei Dinge möchte ich vorausschicken: Gerade in der Kirche müssen wir uns klar darüber sein, daß Christen in politischen Sachfragen legitimerweise zu verschiedenen Ansichten kommen können, daher muß die Diskussion auf der Ebene der Sachargumente geführt werden; Konflikte in einer Demokratie müssen außerdem möglichst gewaltfrei gelöst werden. Wird dieses Ziel von einer Demokratie nicht angestrebt, widerspricht sie sich selbst.

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Zwei Dinge möchte ich vorausschicken: Gerade in der Kirche müssen wir uns klar darüber sein, daß Christen in politischen Sachfragen legitimerweise zu verschiedenen Ansichten kommen können, daher muß die Diskussion auf der Ebene der Sachargumente geführt werden; Konflikte in einer Demokratie müssen außerdem möglichst gewaltfrei gelöst werden. Wird dieses Ziel von einer Demokratie nicht angestrebt, widerspricht sie sich selbst.

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Bevor ich nun auf konkrete Anmerkungen zur Verteidigung eingehe, möchte ich den Ausgangspunkt klarstellen: Ziel aller Überlegungen zur Sicherheitspolitik muß sein, den Erhalt der unabhängigen demokratischen Republik Österreich zu sichern. Um diesen von uns allen gewünschten Erhalt zu gewährleisten, müssen folgende Voraussetzungen mitgesehen werden:

• Ein demokratisches, gerechtes Sozialwesen im Inneren Österreichs; die innere Sicherheit Österreichs hängt davon ab, in welchem Ausmaß Gerechtigkeit und Gleichheit herrscht. Nur wenn der einzelne dieses konkrete Staatsgebilde als gut anerkennt und persönlichen Freiraum darin hat, wird er bereit sein, dieses Gebilde nach außen hin zu verteidigen, eventuell sogar sein Leben dafür einzusetzen.

• Eine vernünftige Außenpolitik; nur eine Außenpolitik, die in den verschiedenen internationalen Konfliktherden ausgleichend wirkt, wird dazu beitragen, daß Österreich als wichtiger, friedlicher Partner in der ideologisch und wirtschaftlich sehr unterschiedlich strukturierten Völkerfamilie anerkannt ist.

• Die Verteidigungspolitik; diese umschließt militärische und nichtmilitärische Maßnahmen, die deutlich werden lassen, daß Österreich (und seine Bürger!) es nicht zulassen, daß der Neutralitätsstatus verletzt oder gebrochen wird.

Zu diesem dritten Bereich der Sicherheitspolitik - der militärischen Verteidigung - hat sich im Laufe der letzten Jahre herauskristallisiert, daß eine allfällige gewaltfreie Verteidigung dem christlichen Anspruch der möglichst weitgehenden Nichtge-waltanwendung mehr entsprechen würde.

Unter gewaltfreier Verteidigung verstehe ich ein Bündel von Maßnahmen, die von lokalen Streiks bis zum Generalstreik, vom Verstecken gefährderter Personen bis zur Zerstörung von für den Feind wichtigen Anlagen und Einrichtungen usw. gehen können. Diese Maßnahmen sollen sowohl einen abschreckenden Charakter („hoher Eintrittspreis") haben, als auch einen Feind zu einem „hohen Aufenthaltspreis" in Österreich zwingen.

Ziel dieser Art von Verteidigung ist es, die Aufrechterhaltung der demokratischen Einrichtungen (Wahlen, Regierung, Versammlungs-, Vereins-, Pressefreiheit...) zu sichern, sowie dem Gegner vehement aufzuzeigen, daß er im Unrecht ist.

Der Unterschied zum Militär manifestiert sich in zweifacher Weise:

• der gewaltfreie Verteidiger, der ja auch mit dem Einsatz seines Lebens rechnen muß, wendet gegen den Gegner nur psychische Druckmittel, nie aber physische an. Das heißt: er wird den Gegner nie töten.

• Die gewaltfreie Verteidigung geht davon aus, in erster Linie Lebensweise und Werte unserer Gesellschaft (=■ Demokratie) zu verteidigen, und damit auch das Territorium, während die militärische Verteidigung in erster Linie das Territorium zu verteidigen versucht und damit die Werte und Lebensweise.

Grundvoraussetzungen für gewaltfreie Verteidigung sind allerdings

• Eine entsprechende Ausbildung aller Beteiligten; es müßte etwa ja gelernt werden, großem psychischem und physischem Druck standzuhalten, Kommunikation und Versorgung unter schwierigen Bedingungen aufrechtzuerhalten usw.

• Allen Beteiligten muß klar sein, daß der gewaltfreie Widerstand auch den Einsatz des eigenen Lebens bedeuten kann.

• Die Bevölkerung muß geschlossen hinter diesem Verteidigungssystem stehen.

Unterstreichen möchte ich jedoch, daß die Diskussion um eine allfällige gewaltfreie Verteidigung am Anfang steht. Es fehlt an praktischen Modellen, viele Fragen sind offen.

Deswegen meine ich auch, daß es verhängnisvoll sein könnte, etwa die Zivildiener-von den rund 11.000 anerkannten Zivildienern wäre die überwältigende Mehrheit bereit, sich im Rahmen eines gewaltfreien Widerstandes für die Verteidigung Österreichs einzusetzen - ins gesellschaftliche Abseits zu drängen. Dieses Drängen in das Abseits, unterstützt von Pauschalunterstellungen wie „alle Zivildiener sind Drückeberger", wäre nicht nur unchristlich, sondern könnte auch politisch verhängnisvoll werden.

Zur Diskussion um die Militärseelsorge, deren grundsätzlichen pasto-ralen Auftrag ich wirklich nicht bestreiten möchte, scheinen mir zwei Fragestellungen von großer Bedeutung:

Es ist zu überlegen, ob das Modell des Priesters in Uniform noch mit dem heutigen Kirchenbild übereinstimmt; falls, wie oft behauptet wird, die Autorität des Militärseelsorgers vom Offiziersrock abhängt, wäre das eine sehr traurige pastorale Situation. Denn im Militär ist der Offizier nicht der kameradschaftliche Begleiter, der Freund des Präsenzdieners, sondern dessen Vorgesetzter. Ich meine, daß der pastorale Zugang zu jungen Menschen im Verhältnis Vorgesetzter - Untergebener nicht ideal ist

Das Problem der Verkündigung an und mit Präsenzdienern im Militär: die Methodik der heutigen Jugendarbeit (Begleiten zu einer freien Glaubensentscheidung, Arbeit in Kleingruppen statt großer Vorträge, kritisches Hinterfragen und Herangehen an Probleme ...) schlägt sich stark mit der Praxis der glaubens-kundlichen Vorträge im Militär.

Wir werden uns damit beschäftigen müssen, daß ein immer größer werdender Teil junger Manschen aus Gewissensgründen nicht den Präsenzdienst leisten kann, denn diese Tatsache hat ja ziemliche Konsequenzen für den militärischen Teil unserer Verteidigung. Ein Zurück hinter den Zivildienst darf es nicht geben.

Ein vernünftiger Dialog zwischen Befürwortern einer militärischen Verteidigung und den Befürwortern einer gewaltfreien Verteidigung könnte, wenn innerösterreichische Feindbilder abgelegt werden, dazu führen, etwa zu klären, ob nicht doch einiges an unserem Verteidigungssystem verbessert werden könnte.

Der Autor ist Bundessekretär'der Arbeitsgemeinschaft Katholische Jugend! Österreich. Die Serie wird fortgesetzt.

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