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Militärseelsorge in Österreich

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Die Militärseelsorge in Österreich ist uralt. Mit den Lehensherren des Mittelalters zogen die Kapläne der größeren standesherrlichen Kontingente, zogen die Bischöfe und Äbte, die selbst Befehlshaber ihrer Lehensleute waren, zu Feld und betreuten die Angehörigen der Gefolgschaften, denen sie selbst angehörten, In ihren religiösen Bedürfnissen. So entwickelte sich von selbst auf Kriegsdauer, oder, richtiger gesagt für die Dauer eines Feldzuges, beim Feldherrn eine Art Militärseelsorge.

So ähnlich blieb es auch, als Berufsheere, Söldner, immer mehr das Lehensaufgebot verdrängten, also auch zur Zeit, als unser altes Vaterland zum Berufsheer überging, zur Zeit der „Frummben Landsknechte“ Kaiser Maximilians I., nur war jetzt der Priester kein freiwilliger Begleiter der Gemeinschaft oder ihres Führers mehr, sondern ein Angehöriger dieser Gemeinschaft, stand in Eid und Sold und war der militärischen Disziplin unterworfen. Jedes Fähnlein hatte seinen Kaplan; dies beweist eine hohe Einschätzung von Religion und Seelsorge bei den damaligen Heeren.

Als erster Versuch, bei den Feldherren eine geistliche Hierarchie zu schaffen und den Feldkaplänen eine geistliche Obrigkeit zu geben, muß wohl die Delegierung von Prälaten oder Bischöfen seitens des päpstlichen Stuhles betrachtet werden, die ab 1551 als „Generalvikare“ bei den kaiserlichen Heeren erscheinen. Um mehr Stetigkeit in die Seelsorge bei der Armee im Felde zu bringen, wandte sich Kaiser Ferdinand III. an den Papst und bat, den Jesuitenorden, dem auch die jeweiligen kaiserlichen Beichtväter angehörten, mit der Militärseelsorge zu betrauen. Papst Urban VIII. übertrug nun mittels Breve vom 18. September 1643 dem Beichtvater des Kaisers, P. Peter Buschmann SJ., die Jurisdiktion über die kaiserliche Armee für die Dauer des Krieges. Einen weiteren entscheidenden Schritt machte Kaiser Leopold I. Es gab fast naturgemäß immer wieder Reibungen mit den zivilen Diözesen. Daher erbat der Kaiser beim Papst für seinen Beichtvater im Jahre 1689 die Erweiterung der geistlichen Jurisdiktion bei der Armee, und zwar auch für die Teile in der Heimat beziehungsweise für den Friedensstand. Diesem Ansuchen wurde entsprochen. Das Jahr 1689, in welchem die kaiserlichen Heere tief im Balkan, in Piemont und am Rhein standen, ist demnach als das Geburtsjahr für die Militärseelsorge der gesamten Armee in der Folgezeit anzusehen Die Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 machte naturgemäß der Tätigkeit diese-Ordens in der Militärseelsorge ein Ende und erzwang dadurch deren Neuorganisation.

Maria Theresia betraute zunächst den Domherren von St. Stephan, Dr. theol. et phil. Adam Dwertitsch provisorisch mit der obersten Führung der Militärseelsorge, aber schon im März 1773 gab sie dem Hofkriegsrat bekannt, daß sie es für das beste hielte, einen Diözesanbischof mit der Leitung der Militärseelsorge zu betrauen. Sie meinte, der Bischof von Wr. Neustadt mit seiner an sich verhältnismäßig kleinen Diözese und wegen der geringen Entfernung seines Bischofssitzes von Wien würde sich für dieses Amt am besten eignen. Der Hofkriegsrat war einverstanden, und so wurde mit allerhöchster Entschließung vom 1. Dezember 1773 die Errichtung eines eigenen Feldvikariates angeordnet und der damalige Bischof von Ruremonde, Dr. Heinrich Kerens, zum Administrator des Bistums von Wr. Neustadt und zugleich zum Apostolischen Feldvikar ernannt.

Infolge der kirchlichen Einteilung Österreichs wurde im Jahre 1785 das Bistum von Wr. Neustadt der Erzdiözese Wien einverleibt und das Bistum und Domkapitel von Wr. Neustadt nach St. Pölten übertragen. Bischof Dr. Kerens und seine drei Nachfolger auf dem bischöflichen Stuhl von St. Pölten leiteten auch das Apostolische Feldvikariat, jedoch war dieses dem Bistum St. Pölten nicht inkorporiert. Seit 1826 waren die apostolischen Feldvikare auch nicht mehr Bischöfe von St. Pölten.

Der unglückliche Ausgang des Feldzuges von 1866 brachte auf allen Gebieten des alten Österreich den Liberalismus zum Durchbruch. Die Armee wurde, auf die Hälfte ihres Bestandes verringert, in all ihren Bestandteilen geschwächt. Nun ging man daran, die Stützen der Armee zu unterhöhlen, und zu diesen Stützen gehörte eben auch die religiöse Betreuung der Truppe. Dabei wurde an allen Ecken und Enden geknausert und gespart. Und so fand man eben den Militärklerus als dankbares Gebiet zur Einsparung heraus. Man traf dabei zwei Fliegen auf einen Schlag. Man ersparte die Ausgaben und schränkte den „klerikalen Einfluß“ auf das Heer ein. So wurde die Truppenseelsorge abgeschafft und die Militärseelsorge niederster Instanz auf die Spitäler, die Strafanstalten und auf die Militärschulen niederster Stufe beschränkt, soweit sie nicht Truppenschulen waren. Damit hörte der innige Kontakt der Seel- ' sorger mit der Truppe auf. So scheidet nun der Feldkaplan vom Regiment, welchem er durch volle 300 Jahre als geistlicher Vater und auf dem blutigen Schlachtfeld als Helfer in letzter Not angehörte, an dessen Schicksal er nicht nur in den Tagen des Friedens, sondern auch mitten im mörderischen Kampfe einen regen Anteil nahm, mit dem er Jammer und Elend der Feldzüge teilte, Strapazen und Schicksalsschläge mannhaft ertrug.

Im ersten Weltkrieg marschierten sie wieder aus, die Regimentskapläne von einst: die Feldkuraten der alten k. u. k. Armee, der k. k. Landwehr, des Landsturms und der Standschützen. Uber 3000 Feldgeistliche waren in den Jahren 1914 bis 1918 eingerückt, über 50 davon sind gefallen beziehungsweise an ihren Verwundungen gestorben.

Als 1918 aus den Überresten der alten Armee allmählich das neue Bundesheer entstand, war es Militärvikar Dr. Ferdinand Pawlikowski, der spätere Fürstbischof von Seckau, der mit bewährten Feldkuraten und inzwischen Priester gewordenen Soldaten des ersten Weltkrieges eine einsatzfähige Militärseelsorge aufbaute, die bis zum März 1938 ihre segensreiche Tätigkeit entfaltete.

Als vor zehn Jahren Österreichs Bundesheer neu erstand, forderten die Bischöfe Österreichs sofort auch die Einführung einer röm.-kath. Militärseelsorge. Am 15. November 1956 begannen die ersten vier Militärgeistlichen ihre Arbeit. Am 21. Februar 1959 ernannte Papst Johannes XXIII. den Erzbischof von Wien, Kardinal Dr. Franz König, zum Militärvikar des österreichischen Bundesheeres. Damit hat die österreichische Militärseelsorge endlich wieder ihre hierarchische Spitze, hat einen tatkräftigen Führer und einen einflußreichen Anwalt bei staatlichen und kirchlichen Stellen. Man hört öfter die Frage, warum Kardinal Dr. König neben den vielen sonstigen Aufgaben, die ihm zusätzlich zu den gewiß nicht geringen Pflichten des Oberhirten der Erzdiözese Wien immer wieder vom Konzil oder direkt von der obersten Kirchenleitung gestellt werden, auch noch zum Militärvikar des Bundesheeres bestimmt wurde. Wenn man die Reihen des Kardinalskollegiums durchgeht, kann man feststellen, daß von den derzeitigen Purpurträgern sechs Militärvikare sind, wobei es sich durch die Bank um die Metropoliten der betreffenden Hauptstädte handelt. Das zeigt deutlich die Wertung der Militärseelsorge durch die Kirche. Die Militärseelsorge soll deutlich sichtbar in den Vordergrund der kirchlichen Anliegen gestellt werden. Leider ist heute für die Militärseelsorge in Österreich zuwenig Verständnis, aber um so wohltuender ist es für die „kleine Herde“ von 15 röm.-kath. Militärseelsorgern, daß die oberste Führung in Rom und Wien eine segnende und schützende Hand über die so oft belächelten und verspotteten Missionäre im feldgrauen Uniformrock hält.

Bei aller Dankbarkeit gegen Papst und Bischof und bei aller Verehrung und Liebe, die der Militärklerus seinem Militärvikar aus ehrlichem Herzen entgegenbringt, sind die Militärseelsorger des österreichischen Bundesheeres realistisch genug, um zu wissen, daß noch etwas lebensnotwendig für die Militärseelsorge in Österreich ist: hilfsbereite Hände der Katholiken Österreichs, aller Katholiken Österreichs, von den hochwürdigsten Bischöfen angefangen bis zu allen Gliederungen der KA und zu allen katholischen Organisationen.

Die Militärseelsorge in Österreich braucht genau so personelle wie materielle Hilfe wie etwa die Mission, die Caritas und all die anderen Werke katholischer Liebe.

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