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Das Schweigen der Kirche ist ein lautes Rufen

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Es ist überflüssig zu sagen, daß die Kirche zur Militärseelsorge verpflichtet ist; Aufgabe der Kirche ist Verkündigung der frohen Botschaft, der Botschaft vom Frieden und Heil Gottes, immer und überall, „gelegen oder ungelegen". Doch nähmen die beauftragten Verkünder der Botschaft im Militär ihre Aufgabe ernst genug, wäre das wohl das Ende der traditionellen ,Militärseelsorge".

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Es ist überflüssig zu sagen, daß die Kirche zur Militärseelsorge verpflichtet ist; Aufgabe der Kirche ist Verkündigung der frohen Botschaft, der Botschaft vom Frieden und Heil Gottes, immer und überall, „gelegen oder ungelegen". Doch nähmen die beauftragten Verkünder der Botschaft im Militär ihre Aufgabe ernst genug, wäre das wohl das Ende der traditionellen ,Militärseelsorge".

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Seelsorge der Kirche gibt es auch in Gefängnissen für Gefangene. Das bedeutet aber nicht, daß die Kirche Verbrechen gutheißt. Ähnlich darf Militärseelsorge nicht als kirchliche Legitimation für Abschreckung, Rüstung, Verteidigungs-„Doktrinen" und - in summa und jedem Fall -Kriegsvorbereitungen verstanden werden, noch dürfte sie Anlaß zu solchem Mißverständnis geben.

Militärseelsorge, die am Ideal des Evangeliums orientiert bleiben möchte, müßte das Ideal der Gewaltfreiheit predigen, jeglichen Militarismus laut verurteilen, den Aufbau von Feindbildern sabotieren, Aufrüstung als Kriegsvorbereitung anprangern. Unterläßt sie diesen Protest, richtet sie sich statt dessen in den Verhältnissen und zu den Bedingungen dieser Welt bequem ein, mit Unjform und Offiziersrang für die Militärseelsorger, begeht sie Verrat an ihrem Auftrag: Sie legt sich mit den Mächtigen ins Bett zu unzüchtigem Götzendienst.

Am Beispiel Rüstung: Es ist leicht, die weltweite Aufrüstung und das Wettrüsten zu beklagen und bei Friedensfeiern zu verurteilen. Dabei wird auch in der Kirche nur zu gern „übersehen", daß Österreich durchaus teilhat am Weltwettrüsten: Man erörtert seit Jahren den Kauf von Abfangjägern - sind das keine Aufrüstungsgespräche? Man diskutiert eine Aufhebung bzw. Umgehung des Raketenverbots - ist das notwendige „Nachrüstung"?

Österreich ist auch dabei, seinen eigenen - vergleichsweise bescheidenen - militärisch-industriellen Komplex auszubauen, inklusive Waffenhandel (als „Entwicklungshilfe"?) nach draußen und „Arbeitsplatzsicherung" im Inneren - ist das alles Selbstschutz?

Dum tacent clamant: Das Schweigen „der Militärseelsorge" ist ein lautes Rufen.

Vielleicht kommt dieses Schweigen aus dem Bewußtsein, daß ein Ja zur militärischen Verteidigung mit Notwendigkeit ein Ja zu Rüstung, Aufrüstung, Rüstungsmodernisierung verlangt und damit ein Ja zum Drehen an der für Millionen Menschen in aller Welt tödlich gewordenen Rüstungsspirale?

Vielleicht ist man sich klar, daß die Bereitschaft zur militärischen Verteidigung, will sie glaubhaft erscheinen, Entschlossenheit zum Krieg bedeuten muß?

Vielleicht spürt man doch im christlichen Gewissen, daß eine solche Haltung einem Christen und gar Priester nicht ganz entspricht?

Oder begreift man, daß der christliche Auftrag nicht hinter weltliche Zweckmäßigkeiten zurückgestuft werden darf, daß Seelsorge und Verkündigung nicht zu Erfüllungsgehilfen eines weltlich-wehrhaften Arms, Evangelium und Theologie zur Legitimation vermeintlicher Sachzwänge generieren dürfen?

Glückliches Österreich: Anderswo verteidigen Militärdekane schon den Atomkrieg. Doch vielleicht findet sich auch bei uns demnächst jemand, der - zwecks Glaubhaftmachung der „Friedenssicherung durch Abschreckung" - die Wünsche der Militärs nach Abfangjägern und Raketen um die Neutronenwaffe ergänzt?

Eine Kirche, die dazu schweigen könnte?

Sie würde jenen Recht geben, die einen direkten Zusammenhang zwischen Frömmigkeit und Militarismus, Religion und Krieg behaupten und eine umgekehrte Proportinalität zwischen humanitären und religiösen Einstellungen konstatieren. Die Früchte des Christentums wären damit das genaue Gegenteil des christlichen Liebes-Ideals.

„Die christliche Liebe endet nicht vor den Toren unserer Kasernen" (Hans Sassmann) ist ein Satz, der richtig oder falsch verstanden werden kann; falsch dann, wenn er exklusiv gemeint wäre: daß die christliche Liebe vor den Kasernen der anderen ja ende.

Militärseelsorger können, wie alle Christen, nur Anwälte der universalen Liebe Gottes sein, nicht einer partikularen Liebe zu den Freunden, die zu lieben bekanntlich nicht einmal ein Verdienst ist; denn das „tun auch die Heiden".

Kirchliche Dokumente zitieren und Bibelstellen als Argumentationshilfen beiziehen bringt indes wenig. Es gibt kaum eine Frage, zu der sich nicht jede denkmögliche Antwort beibringen ließe: Der friedfertige Jesus treibt die „Kapitalisten" mit der Peitsche aus der Kirche. Das sollte auch verhindern, daß „Gewaltfreiheit" zu einem Prinzip erstarrt, das dann gewissermaßen mit aller Gewalt verteidigt wird.

„Das kommt drauf an" und „je nachdem" sind christlich-realistische Antworten auf die Frage nach Gewalt oder Gewaltlosigkeit.

Selig gepriesen werden die Friedensmacher. Es darf gezweifelt werden, daß sie ausgerechnet in Kasernen sitzen.

Der Autor dieses Beitrages ist Redakteur der Katholischen Presseagentur Kathpress und Zivildiener. Die Serie wird fortgesetzt.

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