Wikipedia Glühbirne - © Foto: iStock/anilakkus (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Wikipedia: Mensch statt Maschine

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In Zeiten von Fake News und Verschwörungsmythen hat sich Wikipedia als erstaunlich robustes und verlässliches Informationsmedium erwiesen. Doch der Erfolg hat auch seine Schattenseiten.

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In Zeiten von Fake News und Verschwörungsmythen hat sich Wikipedia als erstaunlich robustes und verlässliches Informationsmedium erwiesen. Doch der Erfolg hat auch seine Schattenseiten.

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Als um die Jahrtausendwende die ersten Wikipedia-Autoren Artikel zu schreiben begannen, blickte das Kultur-Establishment mit einer gehörigen Portion Skepsis und Arroganz auf die Emporkömmlinge aus dem Netz herab. Eine spendenfinanzierte Online-Enzyklopädie, wo jeder mit- und abschreiben kann, werde keinen dauerhaften Bestand haben, hieß es. 20 Jahre später ist der „Brockhaus“ vom Markt verschwunden, die gedruckte „Encyclopædia Britannica“ eingestellt, Wikipedia aber immer noch da – und eine der meistbesuchten Websites der Welt. Ärzte schauen hier genauso rein wie Hochschullehrende und Studierende.

Wikipedia ist ein riesiger Wissensspeicher. Es gibt Artikel in allen möglichen Sprachen und Dialekten, von Alemannisch über Plattdeutsch bis hin zu Zulu. Allein die deutschsprachige Version umfasst rund 2,7 Millionen Artikel. Kein Wunder, dass der Trägerverein schon 2011 forderte, die Online-Enzyklopädie zum Weltkulturerbe zu erklären. Das US-Magazin The Atlantic bezeichnete Wikipedia einmal als „letzte Bastion einer gemeinsamen Realität“.

Zwar gilt es noch immer als verpönt, Wiki­pedia-Artikel als Quellen in wissenschaft­lichen Aufsätzen zu zitieren. Studien belegen aber, dass einzelne medizinische Artikel genauer sind als konventionelle Ärztehand­bücher. Wer sich einen thematischen Überblick verschaffen will, findet in dem Online­lexikon verlässliche Informationen. Wikipedia hat sich – trotz notorischer „edit wars“ – als erstaunlich robust gegen Manipulation erwiesen.

Schwarmintelligenz am Werk

Der Grund ist ebenso simpel wie verblüffend: Im Gegensatz zu milliardenschweren Tech-Konzernen wie Meta oder Twitter setzt Wikipedia bei der Moderation seiner Inhalte weniger auf maschinelle, sondern auf Schwarmintelligenz: Ein Heer von freiwilligen Autoren hegt und pflegt die Artikel. Die deutschsprachige Wikipedia zählt aktuell etwa 17.500 aktive Benutzer, die in den letzten 30 Tagen Artikel bearbeitet haben. Sie tun dies transparent, das heißt für jeden sichtbar. Wer sich die Versionsgeschichte des englischen Artikels über Donald Trump anschaut, trifft dort auf einen kontroversen, aber erstaunlich sachlichen Redaktionsprozess: Da werden Quellen überprüft, Lügen entlarvt, ­irrelevante Statements rausgeworfen.

Wikipedia ist Teamwork: Es gibt Programmierer, Korrektoren oder Vielschreiber wie Steven Pruitt, der es auf die stattliche Zahl von 30.000 Artikeln und fünf Millionen Edits bringt und vom Time-Magazin als eine der 25 einflussreichsten Persönlichkeiten im Internet geadelt wurde. Prominenz ist im Wikipedia-Kosmos jedoch die Ausnahme – die meisten Autoren werkeln anonym im Hintergrund.

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