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Die Schule in Südtirol

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Von Dr. Otto Guem

Bekanntlich wurden durch das seinerzeitige Abkommen vom 5. September 1946 zwischen dem ehemaligen Außenminister Gruber und dem italienischen Ministerpräsidenten De Gasperi deutsche Schulen in Südtirol gestattet, und zwar sollen nach Maßgabe der Muttersprache und Befragung der Eltern die Kinder entweder in eine deutsche oder eine italienische Schule geschickt werden.

Diese Einrichtung deutscher Schulen ist jedenfalls einer der größten Erfolge, die nach 1945 in der Politik Italiens gegenüber Südtirol zu verzeichnen sind, denn die frühere faschistische Regierung hat nicht nur keine deutschen Schulen und keine deutschen Lehrkräfte erlaubt, sondern es war auch Privatunterricht von mehr als drei Schülern gemeinsam verboten. Die Kinder selbst durften nicht einmal in der Pause untereinander deutsch sprechen, sondern mußten sich in italienischer Sprache unterhalten.

Nun liegen die ersten amtlichen Daten des Schulamtes der Provinz Bozen vor, und zwar über das Jahr 1950 51.

Es ist klar, daß die italienischen Schüler speziell in den Mittelschulen vorwiegen, da die italienische Bevölkerung namentlich in den mittleren Ständen (Beamte, Offiziere des Heeres, der Finanz- und Zollbehörden sowie der Sicherheitsorgane Carabinieri ) das Uebergewicht hat und zudem durchschnittlich kinderreicher ist als die deutsche. Dagegen beträgt die Zahl der deutschen Volksschüler etwa das Dreifache der italienischen — in den Mittelschulen ist es fast umgekehrt.

An den elf italienischen Mittelschulen in Bozen studieren 2746 Schüler, an den neun deutschen Schulen in Bozen 635. In Meran entfallen auf sechs italienische Mittelschulen insgesamt 998 Schüler, auf fünf deutsche 691. Bereits in B r i x e n ändert sich die Ziffer wesentlich zugunsten der deutschen Schüler, und zwar besuchten die drei deutschen Mittelschulen 197 Schüler. Auch in Bruneck sind die Schulverhältnisse für die deutsche Bevölkerung günstig, und zwar besuchten in Bruneck 97 Schüler das deutsche Untergymnasium und 31 den kaufmännischen Vorbildungskurs, während auf italienischer Seite das Untergymnasium 63, das Obergymnasium 13 und den kaufmännischen Vorbildungskurs 40 besuchten. In Sterzing gibt es lediglich einen kaufmännischen Vorbildungskurs, der von 40 deutschen Schülern besucht war, während der italienische kaufmännische Vorbildungskurs lediglich 27 Schüler aufwies. Hingegen waren am italienischen Untergymnasium in Sterzing 49 Schüler und im Obergymnasium 9 Schüler. Außerdem gibt es noch in L e i f ė r s eiben landwirtschaftlichen Vorbildungskurs, der ebenfalls zu den Mittelschulen gehört (39 Schüler), so daß insgesamt 4 196 italienische Mittelschüler 1688 deutschen Mittelschülern gegenüberstehen. Italienische Mittelschulen gibt es 27, deutsche Mittelschulen (im Jahre 1950 51) nur 19. Diese Zahl hat sich auch bis heute nicht geändert.

Die nichtstaatlichen Mittelschulen besuchen insgesamt 540 deutsche und 219 italienische Schüler. Mit diesen Schülern in deh nichtstaatlichen Schulen zählt man insgesamt 4415 italienische und 2228 deutsche Mittelschüler.

Wesentlich anders ist die Lage in den Volksschulen: Im Jahre 1950 51 zählte man an deutschen Volksschulen insgesamt 31.953 Schüler in 1038 Völksschul- klassėn in 423 staatlichen deutschen Volksschulen. Italienischerseits zählte man zur gleichen Zeit 12.442 Schüler in 457 Volksschulklassen an 186 Schulorten mit staatlichen Volksschulen. Es waren also um 19.511 deutsche Schüler mehr als italienische, ebenso waren 581 deutsche Volksschulklassen mehr als italienische, und Orte mit staatlichen deutschen Volksschulen zählte man 237 mehr als italiėfilSchė. Bei den Lehrpersonen waren

623 deutsche Lehrer mehr äls italienische, 229 Katecheten ühd sechs Schuldirektoren mehr als italienische.

Iii deft ladifliScheh Schulen weist die Statistik 2064 Schüler in 60 VölksSchul- klassen iii 16 Scbuiorten iiilt staatlichen Volksschulen auf.

Die deutsche Lehrerbildungsanstalt in Meran wies irrt Jahre 1952 250 Schüler gegenüber 200 im Jahre 1950 91 auf. Im Jahre 1952 sind außerdem gezählt worden: Deutsche Völksschüler 31.145, ferner 1886 Mittelschüler in 19 öffentlichen Schulen wozu noch 10 geistliche Schulen kommen, von denen leider keine Schülerangabe vorliegt, ufld eine neugegründete deutsche Kindefgärtnerinhenschule.

Laut Mitteilungen verändert sich das Verhältnis zwischen deutschen und italienischen Mittelschülern fortlaufend zugunsten der italienischen Mittelschüler. Dies ist zwei Umständen zūžtiSčhrėlben: Einmal sind bedeutend mehr italienische Mittelschulen als deutsche vorhanden, zweitens besteht die deutsche Bevölkerung überwiegend aus Bauern, welche die Kinder nür selten äuf die Mittelschulen schicken können.

Zu bemerken ist noch; daß die deutschen Lehrpersonen zum allergrößten Teil heute noch nicht systemisiert sind Und die Hilfslehrer und Hilfslehrotinnen, die heute noch eiben großen Teil der deutschen Volksschulen betreuen, keine Pensionsberechtigung besitzen. Besonders für diese Hilfslehrer bedeutet es ein großes Opfer, ohne Pensionsansprüche oft unter den schwierigsten Verhältnissen in den einsamsten Gebirgsschulen und -notschulen in aufopfernder Weise ihren Dienst zu versehen.

Daß der Nachwuchs an den deutschen Mittelschulen, leider zu wünschen übrig läßt, hat seine Gründe vor allem darin, daß die Anstellung deutscher Beamter nur sehr schwierig, um nicht zu sagen fast Unmöglich ist. Es ist bezeichnend, daß die italienischen kommunistischen Eisenbahner mit Generalstreik gedröht haben, falls Deutsche eingestellt werden. Eine Anerkennung der gegenseitigen akademischen Titel, wie dies im Abkommen vom 5. September 1949 zwar vereinbart, aber bis heute noth nicht dürchgeführt ist, würde diese Angelegenheit zwar theoretisch erleichtern, nicht aber praktisch, denn die bloße Anerkennung eines Titels ohne Möglichkeit einer Einstellung hat keinen praktischen Wert.

Wenn daher die deutschen Abgeordneten im Regionalparlament eine verhältnismäßige Angleichung der Anstellungen zwischen Deutschen ühd Italienern als eine ihrer Gründförderuhgen aufstellen, So ist dies nicht mehr als recht uhd billig.

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