Bienenfleißiger Everest-Killer

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Seine Lebenseinstellung hatte er sich von seinen Bienen abgeschaut: fleißig, zielstrebig, sozial. Damit schaffte es Edmund Hillary vom Bienenzüchter zum "legendären Bergsteiger, Abenteurer und Menschenfreund" aufzusteigen und seinen Namen "als der bekannteste Neuseeländer, der je gelebt hat" in die Geschichtsbücher einzuschreiben. Edmund Percival Hillary wurde am 20. Juli 1919 in Auckland auf der Nordinsel von Neuseeland geboren. An seinem 50. Geburtstag wird Apollo 11 auf dem Mond landen und Neil Armstrong zur weltweiten Berühmtheit machen. Das war Edmund Hillary zu dem Zeitpunkt schon lange, Held und lebende Legende dazu.

IM LAUFSCHRITT

Hillarys Vater arbeitete als Journalist und wechselte zum Bienenzüchter. Geld war in der Familie knapp, weshalb er neben der Schule bei der Bienenzucht mithelfen musste. Seine gute körperliche Leistungsfähigkeit führte Hillary nicht zuletzt darauf zurück, dass er von klein auf Tausende Kisten mit Waben im Laufschritt zur Honigschleuder bringen musste. Das Eingespanntsein in den Familienbetrieb, mit einem überstrengen Vater als Chef, führte dazu, dass er wenige Freunde hatte und trotz hünenhafter Körpergröße von über 1,90 Metern unter mangelndem Selbstbewusstsein litt. Das mag mit ein Grund sein, dass er sein von der Mutter gern gesehenes Universitätsstudium bald abbrach und zu den 1600 Bienenstöcken zurückkehrte. Den einzigen für ihn gangbaren Weg aus der Enge seiner Herkunft und den Beschränkungen seines Charakters entdeckte Hillary auf den Bergen -und den ging er konsequent. Das Bergsteigen lehrte ihn, wie er sagte, "dass auch der durchschnittlich Begabte Abenteuer erleben und der Furchtsame Erfolg haben kann. Die Furcht wurde mir in gewissem Sinne zum Freund".

Mit der Erstbegehung des schwierigen Südgrats auf den höchsten Berg Neuseelands Aoraki/Mount Cook machte er 1948 in der Bergsteigerszene auf sich aufmerksam. Eine Einladung zur Everest-Erkundungsmission 1951 folgte, bei der sich Hillary bewährte. Sieben Mal hatten sich die Briten bereits am höchsten Berg der Erde versucht. Statt Erfolgsmeldungen mussten aber Todesnachrichten nach London gekabelt werden. Von ihrem Ziel, der Eroberung des "dritten Pols", ließen sie sich trotzdem nicht abbringen: "Ist der Wunsch unbescheiden", schrieb ein englischer Zeitgenosse, "dass nach den vielen und schweren Opfern, die wir auf dem Altar des Everest niedergelegt haben, es einem Manne unserer Rasse vergönnt sein möge, den siegreichen Fuß auf diesen heiß umkämpften höchsten Punkt der Erde zu setzen, auf den Gipfel des unnahbaren Mount Everest."

Wie präsent damals der Gedanke an die Everest-Besteigung im Commonwealth war, zeigt folgendes Aperçu: Der bei einem Schulausflug zum Mount Ruapehu mit Bergleidenschaft infizierte Teenager Hillary soll gegenüber einem Freund die unverschämte, sich aber als weitsichtig herausstellende Ansage gemacht haben: "Eines Tages besteige ich den Mount Everest!"

Dieser Tag war der 29. Mai 1953. Um 11.30 Uhr erreichten er und Sherpa Tenzing Norgay den 8848 Meter hohen Gipfel. Hillary machte ein Foto von Tenzing. Dessen Angebot, auch ein Bild von ihm zu schießen, lehnte der ab. Tenzing habe nie fotografiert "und der Gipfel des Mount Everest war wohl kaum der richtige Ort, um ihm zu zeigen, wie das geht", begründete Hillary den Verzicht auf ein Gipfelfoto. Nicht einmal in dieser Sternstunde der Menschheit vergaß Hillary auf seinen trockenen Humor und seine Coolness: "Oben zu sein war nicht so wahnsinnig aufregend wie die Leute manchmal meinen", beschrieb er den Gipfelmoment: "Wir waren müde, und ich spürte nur ein Gefühl ruhiger Zufriedenheit." Und über die Nachrichten zu ihrem Gipfelsieg machte er sich lustig: "Als ich das hörte, dachte ich: Wir haben es wirklich geschafft. Wenn die BBC es meldet, muss es ja wohl stimmen." Legendär wurde seine Erfolgsmeldung nach dem Gipfelsieg: "We knocked the bastard off"(Wir haben den Bastard umgelegt) - bis heute ist dieser Spruch in Neuseeland ein geflügeltes Wort für besondere Leistungen. Die Everest-Leistung machte Hillary weltberühmt, seine Weltneugier war damit nicht gestillt: "Ich bin immer ruhelos gewesen, mein ganzes Leben war ein Kampf gegen die Langeweile", schrieb er in seiner Biografie. 1958 leitete er eine Expedition zum Südpol. Er forschte im Himalaya nach dem Schneemenschen Yeti, erkundete den Ganges vom Delta bis zur Quelle und 1985 stand der erste Mensch am Everest gemeinsam mit dem ersten Menschen am Mond, Neil Armstrong, am Nordpol. Auf die Frage, wie es war, antwortete Cool-Hillary: "Wir hatten gute Gespräche."

VOM TRIUMPH ZUR TRAGÖDIE

Der "dritte Pol" Everest aber blieb sein Schicksal. Am Berg seines größten Triumphs erlitt er auch seinen schwersten Schicksalsschlag. Bei seinen Trainingstouren für den Everest hatte Hillary die Tochter des Präsidenten des neuseeländischen Alpenvereins kennen und lieben gelernt. Louise ging zum Geigenstudium nach Sydney, er stieg auf den Everest. Kurz darauf wurde geheiratet. Das Paar bekam drei Kinder. 1975 dann die Tragödie: Hillary lud Frau und Tochter Belinda zur Eröffnung eines von seiner Stiftung gebauten Krankenhauses nach Nepal ein. In Kathmandu bestiegen die beiden ein Flugzeug, das sie zum Provinzspital bringen sollte. Das Flugzeug stürzte ab, alle Passagiere starben. Hillary flog zum Unglücksort. "Die Menge bildete eine Gasse, um mich durchzulassen", steht in seiner Biographie, "und da waren sie, die Überreste der beiden Menschen, die ich am meisten auf der Welt liebte".

Der Liebling der Nation blieb Hillary sein Leben lang. Mit seinem Bild auf einem Fünf-Dollar-Schein setzte ihm zu Lebzeiten die Nationalbank von Neuseeland ein Denkmal, das in jede Hosentasche passt. Das war genau nach dem Geschmack von Hillary, der auch nach seinem Weltbergerfolg, trotz Adelstitel und unzähliger Ehrungen immer ein bescheidener, leutseliger Mann des Volkes blieb. Der Himalaya-Region und dem Sherpa-Volk fühlte er sich sein Leben lang verbunden. Aus Dankbarkeit für die Sherpa-Hilfe bei seiner Everest-Tour machte er sich für das Bergvolk stark. Mit seiner Stiftung sammelte er Spenden und legte selbst Hand an: beim Bau von mehr als zwei Dutzend Schulen, Krankenhäusern, Straßen, Brücken, Wasserleitungen

Am 11. Januar 2008 verstarb Edmund Hillary dort, wo er geboren wurde, in Auckland auf der Nordinsel von Neuseeland. Seiner von den Bienen abgeschauten sozialen Ader blieb er auch bei seinem Vermächtnis treu: "Wenn ich mal ins Gras beiße, sollten von allem, was ich so gemacht habe, ohne Frage die Sherpa-Schulen als bleibende Leistung in Erinnerung bleiben."

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