Eigenwillige Doppelbegabung

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Die Bawag Foundation präsentiert den belgischen Künstler Pierre Alechinsky.

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Die Bawag Foundation präsentiert den belgischen Künstler Pierre Alechinsky.

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Wie entsteht ein Kunstwerk? Zum Beispiel so: die Hauskatze eines Künstlers verliebt sich unsterblich in ein halbfertiges Werk ihres Herrchens. Sie traktiert es so lange mit ihren Krallen, bis es zerrissen ist. Daraufhin gehen der Künstler und dessen Frau daran, die Papierschnitzel zusammenzusetzen und sie zu kleben. Das Ergebnis wird vom Meister neuerlich übermalt. Doch die Katze zerstört das "Opus" ein zweites Mal. Und wieder geht der Künstler daran, die Reste zu "retten". Das Ergebnis gefällt dem Mann so gut, daß er es "Die unbemerkte Vergangenheit" nennt und der Katze ins Ohr flüstert: "Fantomas, soll ich dir gestehen, daß Die unbemerkte Vergangenheit sicherlich zu meinen besten Bildern gehört? Das hast du wirklich gut gemacht, mir die beiden vorhergehenden zu ruinieren."

Pierre Alechinsky (*1927 Brüssel), der in einer Kurzgeschichte die Entstehung eines seiner Werke schildert, ist eine eigenwillige Doppelbegabung. Mit der linken Hand schreibt er die Chroniken seiner Arbeiten, begleitet und reflektiert sie. Mit seiner rechten malt er. Doch auch hier stößt die graphische, einfärbige Linie auf die "freiere", farbige Malerei. Und ist doch räumlich getrennt. Jedes Mittel hat seinen Platz auf dem Untergrund. Am liebsten verwendet er fernöstliche, verschieden gekörnte Papiere, faltet sie, legt sie aufeinander und klebt sie zusammen.

Einige ausgewählte Beispiele der Arbeiten Pierre Alechinskys sind zur Zeit in der Wiener Bawag Foundation zu sehen. Bezeichnend ein einfaches Blatt: "Materiel minimum" von 1988. Mit Tusche wurden die Umrisse von Tintenfaß, Papier, Feder und Brille festgehalten.

Der Belgier war von 1949 bis 1951 Mitglied der Gruppe Cobra, gründet für sie in Brüssel das Forschungszentrum "Les Ateliers du Marais". Später tritt er keiner Gruppierung mehr bei. Ab 1952 befaßt er sich mit fernöstlichen Schreib- und Maltechniken, korrespondiert mit dem japanischen Kalligraphen Shiryu Morita aus Kyoto und lernt bei Walasse Ting die chinesische Tuschemalerei. Hier entsteht die Linie aus dem harmonischen Einsatz des Körpers, aus der richtigen Bewegung und Atmung. Die weiße Leere des Blattes und die Zeichen der Tusche, die zwischen Transparenz und Undurchsichtigkeit wechseln, werden gleich wichtig für ihn. Ab 1965 erlernt Alechinsky bei Ting in New York die Acrylmalerei. Und von da an ist sein Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Die Liste der Galerien und Museen, wo er ausstellt, spricht für sich. Eine kleine Auswahl: 1972 - Gestaltung des belgischen Pavillons bei der Biennale in Venedig, 1975 - Ausstellung im Musee National d'Art Moderne in Paris. Im selben Jahr Wanderausstellung, organisiert vom Centre Georges Pompidou, 1978 Retrospektive im Centre Pompidou, 1980 Kestner-Gesellschaft, Hannover, 1981 Moma, New York, 1985 erhält er einen Auftrag vom französischen Kulturminister Jack Lang zur Ausgestaltung eines Salons im Ministerium, 1987 Ausstellung im Guggenheim Museum, 1998 Retrospektive im Jeu de Paume, Paris und in Genf.

Pierre Alechinsky wurde vielfach ausgezeichnet (Andrew W. Mellon-Preis, Grand Prix National des Art et Lettres, Herbert-Boeckl-Preis, Ehrendoktorat der Freien Universität Brüssel) und lebt seit 1964 in Bougival, Frankreich.

Bis 10. September 1999 Bawag Foundation, Tuchlauben 7a, 1010 Wien (Telefon 01/53453-2296).

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