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Olympia

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Zur selben Zeit (480 vor Christus), da Leonidas mit seinen Dreihundert in den Thermopylen der Übermacht der Perser erlag, feierten die Griechen in Olympia ungerührt ihre 75. Spiele. Dem davon stark beeindruckten persischen Feldherrn Mardonios erzählten arkadische Überläufer, daß die Sieger nur Kränze aus Ölzweigen erhielten. Darauf ein Perser: „O weh, Mardonios, gegen was für Leute führst du uns ins Feld, die bei ihren Spielen nicht um Gold, sondern um die Ehre kämpfen.“

Man muß es den 7500 Sportlern bei den seit 1896 durch Coubertin erneuerten Olympischen Sommerspielen in Mexiko-City bescheinigen, daß sie in der Mehrzahl hierin — zum Unterschied von vielen ihrer Wintersportkameraden! — dem klassischen Beispiel folgen und ganz im Sinne Coubertins nicht um Geld und trotz des Duells der Großkopferten nicht einmal so sehr um den Sieg auf Biegen und Brechen, sondern um die Ehre kämpfen, „dabeigewesen zu sein“.

Anders und ganz und gar nicht im Sinne Coubertins steht es um die vielbemühte „völkerversöhnende Sendung" der Spiele. Krieg in Vietnam und Biafra, einer ging in der Tschechoslowakei vorbei, ein neuer hängt im Nahen Osten in der Luft, Rhodesien und Südafrika nehmen nicht teil, Russen und Tschechen gehen im olympischen Dorf grußlos aneinander vorüber, und die Araber schließlich haben hören lassen, sie würden allen jenen Disziplinen fernbleiben, in denen Israelis antre- ten. In der Olympiastadt selbst hat die kochende Studentenseele bisher mehr als 40 Tote gefordert. Die Stadt ist ein Hexenkessel.

Doch „endet nicht mit Fluch der Sang“, sagt Stefan George.

Ausgerechnet von „drüben" kommt in das kulturgeschwängerte Europa die Nachricht, daß heuer, dem Beispiel der Antike folgend, schon das ganze Jahr über, besonders aber in den olympischen Tagen, ein großzügiges musisches Programm — Theater, Experimentalfilm, Poetentreffen, Plastik, Folklore, Malerei, Weltraumforschung — abrollt.

Aber auch vom rein Sportlichen her gesehen: Olympische Spiele sind eine Demonstration von Optimismus.

Und wenn die Teilnehmer auch nicht am grünen Tisch friedenspalavern, sondern „nur” auf dem grünen Rasen einander begegnen — ist das nicht schöner, als wenn die Kanonen gegeneinander brüllen?

Olympia ist liebenswert — und notwendig.

Trotz allem!

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