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Schutz den fünf Ringen!

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Die Bundesratssitzung vom 17. April verabschiedete unter anderem die Gesetzesvorlage zum Schutz der olympischen Embleme und Bezeichnungen, über die die „Furche“ bereits berichtete. Bundesrat Hofmann-Wellenhof (VP) führte unter anderem dazu aus:

Ein Schutzgesetz kann nicht inneren Gehalt und innere Würde schaffen, die müssen von der Sache selbst herkommen. Hier haben es die Olympischen Spiele auf Grund des Olympischen Eides, den ihnen ihr Gründer, Baron Coubertin, gab, relativ leicht. Nun gehört zu den Regeln dieser Spiele, die geachtet werden müssen, auch jene des strikten Amateurismus. Es ist kein Geheimnis, daß heutzutage WeltbestleibenDeruüicn erzielt werden können, sondern nur durch ein die ganze Persönlichkeit beanspruchendes Training. Es wäre also besser, wenn von hier aus der Würde der Olympischen Spiele einmal Rechnung getragen würde.

Auch die klassischen Olympiakämpfer des Altertums waren nicht völlig reine Amateure. Wer dreimal siegreich war, genoß allerlei Privilegien. Es wurde ihm nicht nur ein Standbild errichtet — das könnte mit dem Amateurismus noch vereinbar sein —, er genoß auch das Privileg der Steuerbefreiung. Liebling des Volkes zu sein und doch Steuerbefreiung zu genießen, das war wohl nur den Kämpfern der alten Olympischen Spiele vorbehalten.

Ich glaube aber, daß die fünf Ringe nur sehr schwer wirklich verteidigt werden können. Wo ein Profitwille ist, ist auch ein Profitweg. Wenn ich an das Schicksal anderer erhabener Symbole denke, muß ich eben auch um diese fünf Ringe etwas bangen. Man denke etwa an die Verniedlichung des Adlers, vom Löwen ganz zu schweigen — er hat einen ganz anderen Leu-Mund bekommen. Nur die Taube hat sich merkwürdigerweise vom sanften Friedensboten in die entgegengesetzte Richtung entwickelt. Aber auch das ist kein Wunder, da ja ihre Entwicklung von einer Welt bestimmt wird, deren Sprachgebrauch an Stelle Freiheit Knechtschaft setzt und die, wenn sie Demökfarie sagt, eigentlich Tyrannis; rannt. tsäA .nsrtno>l rwmmojiiuB sin

Eine der Würde der Olympischen Spiele abträgliche Anpreisung kann aber nicht nur aus dem Geschäfts-Leben erfolgen, sie kann auch von der Seite der Presse kommen. Hier hat sich, gerade was den Sport betrifft, eine Art „gigahtische“ Sprache des Journalismus entwickelt, die dem inneren Gedanken der Olympischen Spiele in ihrer Übertriebenheit abträglich sein dürfte. Wir bewegen uns in einer Art Superlativinflation, die einfachsten Ausdrücke sind „gigantisch“, „phantastisch“, „phänomenal“, „historisch“, so daß uns, wenn wirklich einmal phantastische, phänomenale oder gar historische Ereignisse eintreten, das entsprechende sprachliche Rüstzeug fehlt. Der Ausdruck „Olympionike“ wird von unseren Zeitungsschreibern geflissentlich für alle Teilnehmer an Olympischen Spielen gebraucht, obwohl damit seinerzeit nur die olympischen Sieger bezeichnet wurden. Eine gleiche Umwandlung hat auch der Begriff Olympiade erfahren: Ursprünglich bedeutete er nur den Zeitraum von vier Jahren, während er jetzt auch für die Olympischen Spiele verwendet wird. Hier trifft das Wort von Andre Malraux zu: „In der Politik ist es manchmal wie in der Grammatik: ein Fehler, den alle begehen, wird schließlich als Regel anerkannt.“

Überfordern wir nicht den Sport I Sprechen wir doch nicht immer und vorzüglich in Zusammenhang mit den Olympischen Spielen von der „völkerversöhnenden“ Kraft des Sports. Die Völker müssen doch nicht versöhnt werden, die vertrügen sich schon miteinander, und die Kreise, von denen die Völkerversöhnung abhängig ist, sind durch einen Kugelstoßer auch nicht zu beeinflussen. Man kann den Sport vor allem dadurch lächerlich machen, daß man ihn zu ernst nimmt. Vor allem die Menschen deutscher Zunge neigen ja dazu, ein paar tiefe Kniebeugen oder ein bißchen Hüpfen am Ort mit weltanschaulichen Hypotheken zu belasten.

Vergessen wir nicht, daß es sich bei den Olympischen Spielen schließlich um Spiele handelt. Ich hoffe, damit vielleicht ein paar ganz kleine Nebel zerstreut zu haben, die sich um die olympischen Höhen herum lagern. Wenn sich diese Nebel immer mehr verziehen werden, werden wir schließlich sehen, daß auf diesen olympischen Höhen nicht Götter wohnen, keine Donnerer und keine Blitzeschleuderer, sondern — wohl sehr tüchtige — Speerwerfer, Kugelstoßer, Hürdenläufer und andere Sportler. Ich halte das nicht für eine Herabsetzung, sondern für ein Lob. Denn unsere Generation hat völlig genug von jenen Donnerern und Blitzeschleuderern, die früher angeblich in den dympiscneri HöJien ihre Heimstatt hattan

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