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Die Olympischen Spiele in Sotschi gleichen Investitionsfestspielen, die auf Mensch und Natur wenig Rücksicht nehmen können oder wollen. Eine Analyse von Thomas Meickl.

Neben den Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau, die vor allem durch den Boykott der US-amerikanischen Sportler Aufsehen erregten (die Rote Armee war zuvor in Afghanistan einmarschiert), war Russland noch nie Gastgeber. 2014 wird eine mittelgroße Stadt an der Schwarzmeerküste Austragungsort der Winterspiele sein. Der russische Präsident Wladimir Putin hat sein Ziel erreicht, denn Olympia wurde zur Chefsache erhoben, schließlich fährt die russische Elite schon seit geraumer Zeit gerne nach Sotschi, um zu urlauben, jüngst auch immer öfter, um im nahen Kaukasusgebiet, umgeben von unberührter Natur, Schi zu fahren.

Her mit den …

Dass die Olympischen Winterspiele in Sotschi nur mit einem gigantischen Investitionsvolumen von 8,8 Milliarden Euro möglich sind, da in der Region praktisch nichts vorhanden ist, was für ein derartig großes Sportereignis adaptiert werden könnte, störte das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht, auch Konkurrent Pyeonchang ging mit einem Investitionsvolumen von fünf Milliarden Euro an den Start und verlor das Rennen um die Winterspiele 2014. Spitze Zungen behaupten, dass hier wohl Gazprom den seit 1997 als IOC-Sponsor auftretenden Elektronik-Konzern Samsung ausgestochen hat.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sprach nach der Entscheidung in Guatemala aus, was sich viele dachten: "Hoffentlich war das keine Grundsatzentscheidung", denn dann könnten in Hinkunft nur noch Bewerber mit Megaprojekten sich Chancen für die Austragung von Spielen erhoffen.

Auch die Entscheidung, China die Sommerspiele 2008 ausrichten zu lassen, missfällt vielen, denn noch ist nicht klar, ob diese Spiele ein Regime unterstützen, das unter anderem dafür auffällt, dass es keine Meinungsfreiheit duldet, oder ob durch den "olympischen Geist" so manche Bürgerrechte und Freiheiten ins Land der Mitte Einzug halten werden. In puncto Meinungsfreiheit ähneln sich im negativen Sinne China und Russland, doch die Missachtung von Menschenrechten scheint kein Ausschließungsgrund für die Abhaltung von Spielen zu sein.

Im Bezug auf Frieden sind die modernen Olympischen Spiele weiter von ihrem antiken Vorbild entfernt denn je. Austragungsland China besetzt noch immer Tibet und in Russland schwelt weiterhin der Konflikt in Tschetschenien. Und Sotschi befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Region Abchasien, deren Beitrittsbestrebungen zur Russischen Föderation hinlänglich bekannt sind. Ein wirtschaftlicher Aufschwung der Region um Sotschi wird auch Abchasien zu Gute kommen und es weiter an Russland binden.

… Olympischen Spielen!

Im Falle von Sotschi missfällt Umweltschützern vor allem, dass viele der olympischen Bauten in Naturschutzgebieten errichtet werden. Das IOC bestätigt, dass sieben Austragungsorte innerhalb des Sotschi-Nationalparks errichtet werden (min. 800 Hektar), davon werden sich zwei Bauten im Kaukasus-Biosphärenreservat befinden. Das Reservat ist Teil des seit 1999 bestehenden UNESCO-Weltnaturerbes Westkaukasus und stellt eines der letzten unberührten Berggebiete Europas dar (siehe Grafik). Laut der außenpolitischen Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, und Tatjana Lysenko, einer Vertreterin der Umweltschutzorganisation Environmental Watch on the North Caucasus, wurden für die bisherigen Planungen keine Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt (UVP), weder die russische Regierung noch das IOC hielten dies für notwendig. Laut Presseberichten stellte der russische Rechnungshof 2006 fest, dass von den 18 begonnenen Bauten im Nationalpark nur fünf die gesetzlichen Auflagen erfüllen. Auch im Sumpfgebiet Imeretinskaja nahe Sotschi wird gebaut: Im Zugvögelreservat entstehen unter anderem das zentrale olympische Dorf und das olympische Stadion.

Die Olympische Charter beschreibt unter Punkt neun, dass Sport die Menschenwürde erhalten und eine friedliche Gesellschaft fördern soll. Faktum ist, dass Menschen umgesiedelt werden müssen, und diese fürchten, wenig bis gar keine Entschädigung zu erhalten, handelt es sich um einen Schwarzbau oder nicht. Alles zum Wohle des Sportes, aufdass mit Hilfe der Spiele künftig der Zwei-Saisonen-Tourismus in Sotschi floriere. Österreichs Handelsdelegierter in Moskaus erklärte im Furche-Gespräch, dass sich durch die Winterspiele aber auch vieles verbessern kann. Denn jetzt erst fließen Milliarden Euro in die Infrastruktur, und das wird auch die Natur spüren. Mit Sicherheit.

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