Leo Wallner, Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees, über die Entwicklung von Sport und Olympia.
Die Furche: Welchen Stellenwert hat das Sponsoring in Österreich?
Leo Wallner: Die Höhe ist eher unterdurchschnittlich. Von den Lotterien und den Casinos aus sind wir gesetzlich zu Abgaben verplichtet. Zur Zeit ungefähr 30 Millionen Euro. In einigen Ländern, England, Skandinavien, Italien, den USA spielt das Sponsoring eine viel größere Rolle. Dort gibt es große Profi-Sportorganisationen und -mannschaften, die sich nur über Sponsoring finanzieren können. Die Fernseh-Anstalten zahlen irrsinnige Beträge für Übertragungsrechte, die sie dann weiter- oder subverkaufen oder selbst für Werbung nutzen.
Die Furche: Finanziert sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf ähnlicheWeise?
Wallner: Die Beträge, die allein das amerikanische Fernsehen für die exklusiven Übertragungsrechte der Winterspiele 2010 und der Sommerspielen 2012 zahlt, belaufen sich auf rund 1,8 Milliarden Dollar. Wohlgemerkt: nur das US-Fernsehen. Dazu kommen die anderen Fernsehrechte und die hohen Sach- und Geldbeiträge der Top-Sponsoren wie Coca Cola, Samsung, Mercedes... (nur einer aus jedem Wirtschaftsbereich).
Die Furche: Die Sommerspiele in Athen kosten 5,4 Milliarden Euro, Lässt sich das hereinspielen?
Wallner: Von den oben erwähnten Einnahmen gibt das IOC 50 Prozent an den Veranstalter weiter. Der Rest geht an nationale Verbände, fließt in Entwicklungshilfe, usw... Außerdem haben die Griechen selbst wieder Sponsoren, sie verkaufen Eintrittskarten und vieles andere. Das alles ergibt einen Betrag von 2,5 bis drei Milliarden Dollar.
Die Furche: Heißt das, dass die Veranstaltung selbst kein Defizitgeschäft darstellt?
Wallner: Bezieht man die Infrastruktur-Investitionen nicht mit ein, so rechnet man, dass die Veranstaltung etwa 100 Millionen Dollar abwirft. Der Überschuss wird für den Jugendsport oder Sporteinrichtungen verwendet.
Die Furche: Waren die Spiele immer schon ein Geschäft?
Wallner: Erst seit Juan Antonio Samaranch, der frühere IOC-Präsident, sich gezielt bemüht hat, das IOC von politischen Einflüssen unabhängig zu machen. Früher haben die Spiele viel gekostet. Heute ist das IOC weitgehend von politischen Einflüssen frei. Wir können es uns leisten, Taiwan und Rotchina als Mitglieder zu haben. Das traut sich die UNO nicht. Seit Mitte der achtziger Jahre rechnen sich die Spiele also.
Die Furche: Welche Rückwirkungen haben die Interessen der Financiers auf das Geschehen?
Wallner: Weniger als zu Zeiten der politischen Einflussnahme. Firmen stehen ja in Konkurrenz und Sponsoren kann man gegen andere tauschen. Weil der amerikanische Markt wichtig ist, spielt die Zeit der Übertragung beispielsweise eine Rolle. Manches findet vorzugsweise in der USPrime-Time statt. Aber so einfach ist es auch wieder nicht. Denn Europa ist ebenfalls wichtig. Interessen sind eben nur teilweise durchsetzbar.
Die Furche: Also Auswirkungen auf die Programm-Gestaltung der Spiele?
Wallner: Man hat Sportarten forciert, die sehr telegen sind. Also finden etwa 100-Meter-Läufe eher zu günstigen Zeiten statt. Was die Zahl der Bewerbe anbelangt, haben wir beschlossen: 300 Bewerbe bei den Sommerspielen und nicht mehr. Soll ein neuer dazukommen, muss einer herausgenommen werden. Es werden nur mehr Sportarten aufgenommen, bei denen auch die Damen mitmachen können. Zuletzt wollte man Golf hineinbringen. Das ist nicht durchgegangen. Im Winter kann man leichter etwas dazunehmen. Die Winterspiele sind nicht so vollgepackt.
Die Furche: Zurück zu den Kosten: Wenn sich Spiele rechnen, können also auch kleine Länder in Zukunft Gastgeber sein?
Wallner: Ich glaube, dass die Hypertrophie der Spiele - mit den Eröffnungen, den riesigen Bauten - es kleinen Ländern fast nicht möglich machen wird, sich zu bewerben. Griechenland ist eine Ausnahme, weil der olympische Gedanke von dort kommt. Künftig werden nur große Länder Spiele ausrichten.
Die Furche: Auch im Winter?
Wallner: Da ist es zwar leichter für kleinere Länder, aber auch da ist ein Trend zu potenten Ländern, weil es viele Hallenbewerbe gibt. Und diese Hallen sollen auch nach den Spielen genutzt werden können.
Die Furche: Wie wirkt sich das Sponsoring auf die Sportler aus?
Wallner: Da ist einiges problematisch. Nur wer Spitzenleistungen erbringt, bekommt entsprechende finanzielle Unterstützung. Wer Rekorde liefert, steht im Rampenlicht der Medien und wird als Träger für Pickerln, wo immer, interessant. Daher ist die Versuchung zum Doping mit immer brutaleren Mitteln (weil man sie immer besser verstecken kann) so groß.
Die Furche: Werden nicht auch Show-Effekte immer wichtiger?
Wallner: Das Theater gehört überall dazu. Auch die Ästhetik spielt eine Rolle. Denken Sie daran, dass man eine ganz junge Sportart, Beach-Volley, genommen hat, weil sie fernsehgerecht ist. Beach-Volley ist hübsch anzuschauen.
Die Furche: Beeinträchtigt die Kommerzialisierung den erzieherischen Effekt des Sports?
Wallner: Wenn "fair play" zum guten Ton gehört, kann sich niemand anderes leisten. Wer wirklich brutal Fußball spielt, ist in der Öffentlichkeit bald geächtet. Fehlverhalten wird diskreditiert.
Die Furche: Kommen die Sportler heute nicht zu früh ins Verdienen?
Wallner: Sehr viele erreichen nie die Spitze und bemühen sich genauso. In manchen Sportarten verdient man nie etwas.
Die Furche: Herrscht in diesen Sportarten ein anderes Klima als dort, wo viel Geld unterwegs ist?
Wallner: Ja, dort geht man miteinander humaner und kollegialer um.
Das Gespräch führte Christof Gaspari.